Stellingen. Gitarre oder Geige? Das ist nicht nur unter Musikliebhabern unterschiedlicher Richtungen eine zuweilen heiß diskutierte Frage. Sondern auch unter Wasser. Biologen erfüllen dabei ausgerechnet bei der Benennung eines Rochens - stumm wie ein Fisch - lustigerweise ein Klischee: Während Rhynchobatus djiddensis im englischsprachigen Raum, etwas rockiger, Weißgefleckter Gitarrenfisch genannt wird, geht es auf Deutsch mit dem Großen Geigenrochen doch eher klassisch zu.

Einen kratzt das wenig: den Rochen selbst. So oder so spielt das einzige Exemplar im Tropen-Aquarium vom Tierpark Hagenbeck die erste Geige.

Marina, so wurde das Tier bei seiner Ankunft vor einem Jahr in Hamburg genannt, kam gemeinsam mit einem Napoleonfisch aus Australien nach Deutschland. "Mittlerweile glauben wir aber, dass es sich bei ihr um ein Männchen handelt", sagt Dr. Guido Westhoff, Leiter des Tropen-Aquariums, und lacht. Stradivari wäre da doch eigentlich ein netter Name für einen Geigenrochen. Um aber keine Marina unter den Besuchern zu enttäuschen, die sich an "ihren" Rochen gewöhnt hat, hier ein Vorschlag zur Güte: Vorname Marina, Nachname Stradivari. Auf seinen Namen hören wird das Tier eh nie ...

Große Geigenrochen leben im Atlantik und im Indopazifik, meist in tropischen Küstengewässern. Selten schwimmen sie auch in das Brackwasser von Flussmündungen. "Die Geigenrochen sehen dabei viel mehr aus wie Haie und gar nicht wie zum Beispiel ihre näheren Verwandten, die Stechrochen", sagt Westhoff. Daran würde man noch die haiähnlichen Vorfahren der Rochen erkennen.

Tatsächlich kann man die lang gestreckte Gestalt von Marina Stradivari, mit den beiden Rückenflossen und der Schwanzflosse ohne Stachel, auf den ersten Blick für einen Hai halten, von denen es ja auch etliche im Großen Haiatoll des Aquariums zu sehen gibt. Nur die "Nase" des Geigenrochens ist eigentümlich: Seine Schnauze ist zu einem langen, sogenannten Rostrum ausgezogen. Westhoff: "Dieses ist mit Sinnesorganen wie etwa Elektrorezeptoren regelrecht vollgepumpt, mit deren Hilfe die Rochen unter anderem ihr Futter aufstöbern."

Futter, das bedeutet für die gemäßigten Schwimmer, die sich meist nah über dem Sandboden in der Nähe von Korallenriffen aufhalten, vor allem Muscheln, Krebse und Kopffüßer. "Mit ihren Zähnen, abgeflachten Knochenplatten, können sie Muscheln und Krebse wunderbar aufknacken", sagt Westhoff. Wenn man das denn will - Marina Stradivari dachte nämlich anfänglich überhaupt nicht ans Fressen.

Während im Haiatoll des Tropen-Aquariums die großen Bewohner wie Haie oder Zackenbarsch von den Tierpflegern an der Oberfläche gefüttert werden, um eine gute Kontrolle zu haben, wer was frisst (und wer dabei wie gesund aussieht), wollte sich der Geigenrochen daran überhaupt nicht gewöhnen. Westhoff: "Er suchte sein Futter immer weiter auf dem Boden des Beckens, doch wenn wir es herabsinken ließen, schnappten es sich die Makrelen sofort weg." Auch Versuche mit speziellen Röhren und Kisten schlugen fehl.

Blieb nur noch die First-Class-Behandlung mit eigenem Butler, und die scheint dem exquisiten Gast zu munden: "Zusätzlich zu Futter aus einer speziellen Kiste, aus der er ein wenig Futter frisst, tauchen wir alle zwei Wochen im Becken und füttern den Großen Geigenrochen aus der Hand. Das klappt super - dabei frisst er uns fast die Haare ab!", erzählt Guido Westhoff.

So ist es also nur noch eine Frage der Zeit, wann der Fisch seine mögliche Maximallänge von imposanten 3,10 Metern erreicht. Mit 1,20 Meter war das Tier im Februar 2011 gekommen, 1,28 Meter waren es bei der letzten Inventur. Nur eine wird dabei nicht mehr in die Länge wachsen: die Nase von Marina Stradivari. Westhoff: "Die hat sie sich beim Transport angestoßen." Seitdem ziert das Tier eine kleine Knollennase.

Auch wenn man Knorpel operieren kann - Knorpelfische lässt man diesbezüglich glücklicherweise in Ruhe.

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