In dem kleinen Gewächshaus neben meinem Schreibtisch tut sich etwas. Zu Beginn der Fastenzeit habe ich Körner ausgesät, die ich auf den Pilgerwanderungen des vergangenen Jahres gesammelt hatte. Jetzt schieben sich die ersten Keimlinge von Sonnenblume, Malve und Kokardenblumen aus der Erde. Nur von dem blauen Mohn aus dem Garten der Pilgerherberge bei Trondheim ist noch nichts zu sehen.

Jeden Morgen und jeden Abend schaue ich in mein Minigewächshaus. Ungeduldig erwarte ich die Boten des neuen Lebens, Zeugnisse einer unbekannten Zukunft. So sehr sehne ich mich nach dem Lebensaufbruch des Frühlings.

Vor meinem inneren Auge entstehen Bilder von blühenden Sommerblumen, allesamt Bilder voller Sehnsucht und Hoffnung nach neuem Leben. Die Keimlinge rufen Osterbilder in mir wach und sagen: Hinterm Horizont geht's weiter ...

Denn noch endet mein Blick am kühlen Grau des Winters, steckt mir die Dunkelheit mächtig in Leib und Seele. Immer wieder erschüttern mich Leid und schlechte Nachrichten wie die von dem Busunglück in der Schweiz und nagen an dem Vertrauen auf eine gute Zukunft. Ungewiss ist, was auf uns zukommt, und hart sind die Zumutungen, die das Leben für uns bereithält. Ostern scheint weit weg und Leiden oft so mächtig.

Und doch künden die winzigen Keimlinge in der Passionszeit davon, dass es Grund zur Hoffnung gibt: Das Leben ist stark, trotz allem, was dem Leben entgegensteht. Und selbst dann, wenn ich das aufkeimende Leben nicht wahrnehmen kann, weil mir Herz und Sinne gehalten werden, so ist es uns doch schon gewiss. Leben ist verwundbar, aber stärker.

Die zarten Sprösslinge in meinem Minigewächshaus sind mir zum Gleichnis für den Glauben an Gott geworden: Sie berichten von einer Wirklichkeit, die wir nicht selber machen, aber die wahr wird und uns blühen wird, auch im Angesicht von Sterben und Not. Zerbrechlich wirken die neuen Pflanzen, und doch haben sie das Zeug zu großer Blüte. Denn ihr Wachsen hängt nicht von uns ab. Nur die Saat, die müssen wir ausbringen - trotz allem.

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