Auf den meisten Buslinien müssen Kunden vorne einsteigen. Der Kartenverkauf erhöht sich um bis zu 30 Prozent

Hamburg. Die Hamburger Hochbahn und die Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG) verkaufen erheblich mehr Tickets in ihren Bussen, seit die Fahrgäste vorne einsteigen müssen. Das hat eine erste Bilanz der beiden Unternehmen ergeben. Die Zahl der im Bus verkauften Karten ist bei der Hochbahn um gut 15 Prozent gestiegen, bei der PVG sind es 20 Prozent. Bei den Kurzstrecken sei es sogar ein Plus von 30 Prozent, sagt PVG-Sprecher Kay Goetze. Das sind - im Vergleich mit dem Vorjahr - allein bei der PVG knapp 10 000 Kurzstreckenkarten mehr pro Woche. "Es ist ja kaum noch möglich, an dem Fahrer vorbei in den Bus zu kommen", sagt Goetze.

Durch verschärfte Kontrollen und den Einstieg vorne ("Sichtkontrolle") hoffen PVG und Hochbahn, Schwarzfahren deutlich eindämmen zu können. Bislang sind es geschätzt 24 Millionen Euro, die die Unternehmen jährlich verlieren durch nicht verkaufte Tickets. Noch betrage die Schwarzfahrerquote im Großbereich Hamburg 3,5 Prozent, sagt der Sprecher der Hochbahn, Christoph Kreienbaum. Ziel sei es, auf unter drei Prozent zu kommen.

Die Aussichten sind gut. Die beiden Busunternehmen hatten im vergangenen Jahr Harburg und Bergedorf für Pilotprojekte ausgesucht und dort den Einstieg vorne getestet. Die Schwarzfahrerquote sank daraufhin in Harburg von 6,6 auf 1,7 Prozent und in Bergedorf von 4,8 auf 1,9 Prozent. Auch aus finanzieller Sicht hat sich das Pilotprojekt gelohnt - 34 000 Tickets in der ersten Testwoche mehr im Vergleich zum Vorjahr hat die Hochbahn verkauft, das sind rund 100 000 Euro mehr Umsatz. "Das ist nicht 1:1 übertragbar auf das Gesamtjahr, aber trotzdem natürlich eine sehr erfreuliche Entwicklung", sagt Kreienbaum.

So erfreulich, dass die Sichtkontrolle sogar auf die bislang ausgelassenen Metrobuslinien ausgedehnt werden könnte. Noch müssen die Fahrgäste ihre Tickets auf den stark frequentierten Linien 4, 5 und 6 nicht vorzeigen. Ob das so bleibt, hängt Kreienbaum zufolge von der Pünktlichkeit der übrigen Linien ab: Wenn die Busse trotz der Veränderung weiterhin den Fahrplan einhielten, "werden wir uns den Einstieg vorne auch auf den Metrobuslinien 4 und 6 überlegen." Nur bei der Linie 5 sei das unwahrscheinlich - wegen der hier eingesetzten Doppelgelenkbusse, kurz XXL genannt.

Bei der U-Bahn hingegen soll sich nichts ändern. Einstieg vorne ist nicht möglich, Schranken am Eingang müssten eingebaut werden. Und das wäre aufwendig und teuer. "Das steht in keiner Relation zur Senkung der Schwarzfahrerquote", sagt Kreienbaum.

Auch der Verkauf von Zeitkarten sei während der Pilotphase in Harburg und Bergedorf gestiegen. "Erst gab es ein Plus im direkten Vertrieb und dann eine Verschiebung in den Abosektor. Allein in Bergedorf hatten wir in den ersten Wochen 400 neue Zeitkarten", sagt PVG-Sprecher Goetze.

Rathausmarkt. Mittagszeit. Vor der Fahrertür bildet sich eine kleine Schlange. Im Gänsemarsch geht es am Fahrer vorbei in den Bus. Fahrkarte vorzeigen. Der Busfahrer nickt. Ein Paar braucht noch Tickets. Die anderen Fahrgäste warten. Die hinteren Türen bleiben zu, denn es steigt niemand aus. Sandy Schwalbe aus Barmbek stört die Kontrolle nicht, nur ein wenig länger dauere das Einsteigen nun. "Aber das hat ja auch mit der Umgewöhnung zu tun", sagt die 29-Jährige, während sie in ihrer Tasche die Fahrkarte sucht. Sabine Winkelmann hingegen freut sich sogar über die Neuerung: "Das ist super, ich bezahle seit Jahren diesen Schnellbus und andere sind schwarzgefahren." Gründe wie "keine Hände frei haben" oder "Angst, das Ticket zu verlieren", lasse sie nicht gelten: "Das ist albern."

Auch Fahrgast Matthias Deneke aus Hohenfelde stört sich nicht an der Regelung: "Ich habe kein Problem damit. Und Gedränge gibt es auch nicht, weil viele Leute ja auch aussteigen."

Andere Städte haben die Sichtkontrolle vorgemacht. So die Berliner Verkehrsbetriebe, wo der Einstieg vorne mit kurzer Unterbrechung schon seit den 70er-Jahren existiert und als Erfolg gilt. "Es liegt außerhalb jeder Diskussion, etwas anderes einzuführen", sagt Unternehmenssprecher Klaus Wazlak. Denn nicht nur die Schwarzfahrerquote sei ein Jahr nach Wiedereinführung 2004 von 5,7 auf 4,6 Prozent gesunken und liege nun bei rund 3,5 Prozent, auch die Einnahmen seien insgesamt um 3,7 Millionen pro Jahr gestiegen.