Petra Fischbach leitet das Hospiz Hamburg Leuchtfeuer auf St. Pauli - ein Haus für Sterbende, das aber dennoch voller Kraft und Würde ist.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der 31. Folge vor einer Woche: die Künstlerin Friederike Ahrens

Es ist ein Unterschied, ob man vor der Tür etwa zur Kunsthalle steht oder vor der zum Hospiz von Hamburg Leuchtfeuer an der Simon-von-Utrecht-Straße. Denn im Hospiz leben unheilbar kranke Menschen, die gekommen sind, um zu sterben. Beklommenheit rührt sich; die letzte Tatsache jedes Lebens ist ein Tabu und wird sorgfältig aus der Wahrnehmung verdrängt.

Petra Fischbach, die diese Tür zum Leuchtfeuer-Hospiz öffnet, strahlt heitere Zugewandtheit aus. Sie kennt die unsicheren Gefühle ihrer Besucher hundertfach und kann sie zurückholen auf festeren Boden. Seit zehn Jahren ist sie Geschäftsführerin des Hospizes und Vorsitzende der Stiftung Hamburg Leuchtfeuer. Auf die Frage, wie sie an diesen besonderen Ort gekommen ist, sagt sie einfach: "Dieser Ort hat mich gefunden." Er sei ein ganz logischer Punkt auf ihrem Lebensweg. Geboren ist sie 1969 in Nordrhein-Westfalen, in der Nähe von Siegen. Nach der Realschule absolviert sie eine Banklehre, "eine Entscheidung aus Neigung und Interesse", sie arbeitet gerne in der Bank, der Umgang mit Zahlen macht ihr bis heute Spaß.

Aber sie spürt auch, dass sie in der Konzentration auf die Sache die Orientierung auf die Menschen vermisst. Schon in der Schule war sie sozial engagiert. Also will sie etwas tun, was den Menschen unmittelbar nützt. Etwas, das sich gut und richtig anfühlt. So wird sie neben der Bankausbildung ehrenamtlich aktiv in einem Altenheim, "so ein Begleitdienst. Ich hab das mit so einem ganz selbstverständlichen Gefühl getan. Ich mochte und mag gern mit Menschen sein. Meine Zeit sinnvoll einsetzen, etwas abgeben und teilen." Dass sich die alten Menschen freuen, wenn sie kommt, bestätigt ihre Hinwendung.

Wenn man Petra Fischbach verstehen will, sollte man fein unterscheiden zwischen Egoismus, der ihr vollkommen fremd ist, und der Suche nach dem eigenen Weg. Nach der Zeit in der Bank beginnt sie eine zweite Ausbildung zur Krankenschwester. Spezialisiert sich dann auf Intensivmedizin. Begegnet darin den Bemühungen, zu heilen und Leben zu erhalten. Und zum ersten Mal dem Tod.

Denn gerade auf der Intensivstation gehört auch das Nicht-Gesunden und Sterben-Müssen zum Alltag.

Aber wie damit umgegangen wird, das ist ihr fremd, entspricht nicht ihrem Bild von Würde und dem selbstbestimmten Menschen. Sie erlebt, dass wegen Besuchszeiten Menschen nicht zu ihren Liebsten gelassen werden. "Ich kam an einen Punkt, wo ich dachte: So ist es im wahrsten Menschensinn nicht richtig. Leben ist Anfang und Ende. Und ich habe gesehen, dass es in der Intensivmedizin dafür keinen Raum gibt, keine Achtsamkeit, oft nicht mal Interesse daran."

Wenn Petra Fischbach über Sterben und Tod, Trauer und Trost spricht, spürt man: Hier hat sie eines ihrer Lebensthemen gefunden. Sie redet zurückhaltend, konzentriert und mit einer beharrlichen Genauigkeit der Gedanken, die nur wächst, wenn man die eigene Sicht auf die Dinge immer neu formulieren muss, um immer neu den Missverständnissen der Mitmenschen zu begegnen.

Sie studiert Sozialpädagogik und macht ein Praktikum beim damals noch jungen Projekt "Hamburg Leuchtfeuer", 1994 gegründet, um vor allem Aidskranke in der letzten Lebensphase zu versorgen. Als sie dazustößt, wird gerade das Haus für das Hospiz hergerichtet; sie kennt also jede Ecke, als sie 2002 dessen Geschäftsführerin wird und "nebenbei" noch ein Masterstudium (Sozialmanagement) anpackt. "Ich erlebe mich hier als Teil eines Ganzen, das nur gemeinsam gelingt. Wir sind 50 Hauptamtliche und 70 Ehrenamtliche. Und es gibt einen großen Kreis von Freunden und Förderern, Spenderinnen und Spendern, die uns ihr Vertrauen geben." Und stellt fest: "In Hamburg ist etwas angestoßen worden: 1998 war das Leuchtfeuer-Hospiz eines der ersten solcher Häuser in der Stadt, heute gibt es schon sechs."

500 000 Euro an Spenden muss sie jedes Jahr einwerben, um den Betrieb zu sichern. Doch die Leuchtfeuer-Idee hat gezündet, nicht nur bei wenigen, die viel geben, sondern bei vielen, die auch mit wenigem zum Erfolg beitragen. Gerade freut sie sich auf das "Event Prominent" am 25. März im Hotel Grand Elysée ( www.event-prominent.de ), wo bekannte Hamburger Mode vorführen zugunsten von Hamburg Leuchtfeuer und der Aktion Dunkelziffer.

War es für sie ein gravierender Wechsel aus der Medizin, die gesund machen will, in ein Haus, das das Sterben begleitet? "Ja", sagt sie, "aber es ist ein Ort, der sich kraftvoll richtig anfühlt für mich." Was für viele nicht selbstverständlich ist. Die Frage "Kostet Sie die ständige Nähe zum Tod nicht unheimlich viel Kraft?" hört sie oft. Sie empfindet das anders: "Ich habe eine Aufgabe, die mich erfüllt; es gibt so viel Lebenserfahrung, so viel Vertrauen, so viele wertvolle Momente in diesem Haus, die mir eher Kraft geben, als dass sie mir Kraft nehmen." So wie ihre Augen strahlen, muss es stimmen.

Sie kann herzhaft lachen und tut es gern. Denn im Hospiz gibt es neben aller Schwere auch Fröhlichkeit, sogar Glücksmomente. "Aber dass ein besonderer Moment gelungen ist, der einen Menschen berührt, Freude gegeben hat, das ist auch glückvoll."

Viele Fragen fühlen sich, wenn sie antwortet, plötzlich falsch gestellt an. Auch diese: Wie nahe man Sterbenden sein kann, wie viel Distanz man braucht? "Ich mag die Begriffe Nähe und Distanz da nicht", sagt sie, "das ist ja keine bewusste Entscheidung." Was ist es dann? "Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt und versuchen zu tun, was sich für diesen Einzelnen gut anfühlt. Dazu gehört Nähe, aber auch das Respektieren von Grenzen. Wir erleben hier, dass Menschen sehr bewusst sind in diesen letzten Lebenswochen und -tagen. Dass Mut entsteht, Dinge auszudrücken, die sonst nicht ausgedrückt werden, dass wir teilhaben an Lebenserfahrungen, auch an Lebensweisheiten, die deutlich werden, wenn klar ist, dass nicht mehr viel Zeit bleibt."

Und Dinge geordnet werden? "Ja. Nahezu jeder kommt auch an Punkte, die offen sind. Will klären, was zu klären ist, Konflikte lösen, häufig auch Beziehungen klären, Streit beilegen, Familienbünde wieder schließen." Das alles rückt ins Bewusstsein, sagt sie, wenn der Betroffene es zulässt. "Was geglückt und vollendet ist, aber auch, was erst vollendet werden will."

"Lassen" - das Wort spielt in ihrem Denken eine große Rolle. Sich einlassen auf einen konkreten Menschen, Gefühle, Bilder, Dinge zulassen, und am Ende des Lebens loslassen. Den einen richtigen Weg, das hat sie gelernt, gibt es nicht beim Sterben. "Wir legen Wert darauf, dass die Menschen hier betreut und begleitet sind, nicht nur medizinisch-pflegerisch, sondern auch psychosozial und spirituell. Manche unserer Patienten wollen alleine sein, andere ihre Partner dabeihaben, mal sollen alle kommen, mal niemand gerufen werden, weil der Sterbende diesen Weg alleine gehen möchte. Wir versuchen zu spüren, was für diesen Menschen richtig ist."

Im Hospiz weiß man, dass immer ein Punkt kommt, wo man Angehörige mit ihrem Abschied allein lassen muss. "Deshalb gibt es seit 2007 unser 'Lotsenhaus'. Denn es ist auch eine große Aufgabe, Menschen zur Seite zu bleiben, die trauern. Und sie zu trösten." Aber wie? "Trost und Getröstetsein liegt in vielem, was sich klar und ausgedrückt anfühlt. Diese Fragen, die so bohrend sein können - wieso, weshalb, warum - und viele unabgeschlossene Dinge, die können sehr hinderlich sein. Trost bringt alles, was die innere Ruhe zurückkehren lässt. Wir sollten achtsam sein gegenüber dem, was Trauernde uns zeigen."

Auch das wird klar beim Blick auf den Tod: Alles Genormte, die ganze Konformität ist nur der untaugliche Versuch, etwas zu fassen, was am Ende doch so einzigartig ist wie das Leben auch. Für Petra Fischbach zählen Empathie und Achtsamkeit, die Würde der Menschen, das Berührtsein. Und man spürt: Sie trägt das nicht vor sich her, sie lebt es.

Auf ihrem anderen Blickwinkel besteht sie mit geduldiger Konsequenz. Und langsam wächst die Idee: Das Leben selbstverständlich vom Tod her zu begreifen ordnet komplett neu die Sicht auf das, was wichtig ist und was nicht. "Meine kleine Lebenswelt, die rückt sich hier jeden Tag aufs Neue in Verhältnismäßigkeit. Dinge meines Alltags verlieren an Bedeutung. Dann ist es schon mein Anliegen, jeden Tag mit Leben zu füllen. Das gelingt mir mal mehr, mal weniger."

Sich selbst weniger wichtig nehmen - Petra Fischbach wird richtig wortkarg, wenn es um ihre Person geht. "Privatheit bedeutet mir sehr viel." Sie erzählt wenig: So mag sie über ihre Familie ebenso wenig sprechen wie über Partnerschaft. Nach einigem Zögern berichtet sie immerhin, dass sie starke Natureindrücke liebt, lange Spaziergänge an der Elbe, Ausflüge an die Nordsee, Reisen in fremde Länder. Und Musik und Lesungen, "ich lasse mich inspirieren, ohne festgelegt zu sein". Das ist er wohl, ihr Weg: achtsam schauen, was ist, ohne vorgefertigte Meinung. Herausfinden, was es bedeutet. Sich berühren lassen und spüren, was gebraucht wird. Und das dann tun.

Es ist ein sehr besonderer Beruf in der Nähe zu etwas Existenziellem, das aus dem Erleben der Gesellschaft fast verschwunden ist? Sie nickt: "Ja. Und in mir gibt es eine große Dankbarkeit für den Reichtum, der darin liegt."

Petra Fischbach bekam den roten Faden von der Künstlerin Friederike Lydia Ahrens, sie gibt ihn nächste Woche weiter an den Autor und Moderator Roger Willemsen, "weil ich ihn für seine fulminanten Sprachbilder ebenso bewundere wie für seine Menschenfreundlichkeit und sein humanitäres Engagement. Aktuell hat mich die Lesung seiner Version der Hiob-Geschichte sehr berührt."