Blankenese. Extrem unbequem klingt das. Und noch dazu außerordentlich gefährlich. Zwei Messer hatte sie an empfindlicher Stelle verborgen, in ihrem BH und damit auf ihrer blanken Haut. Das tut sich wohl kaum jemand grundlos an, als extravagantes Accessoire etwa oder aus einer schrillen Laune heraus. Es wäre natürlich allein die ganz private Angelegenheit von Helga D. geblieben, was sie zu dieser extrem ungewöhnlichen Aktion trieb - wenn sie nicht im Verdacht stünde, einen Diebstahl begangen und die Messer deswegen mit sich geführt zu haben. Und deshalb geht es die Justiz allerdings etwas an, was die 37-Jährige "drunter" trug. Denn mit den sonst denkbaren, mitunter auch äußerst raffinierten "Waffen einer Frau" hat das nun wirklich rein gar nichts mehr zu tun.

Jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht macht Helga D. nicht den Eindruck einer Frau, vor der man sich vorsehen oder die man gar fürchten müsste. Bedrückt und zaghaft wirkt sie, sehr zierlich, in lässigem Schick gekleidet, die dunklen Haare hat sie zu einem Zopf gebändigt. Sie wird beschuldigt, im Oktober vergangenen Jahres bei einem Discounter unter anderem Tabak, Hygieneartikel und Ringelblumensalbe gestohlen zu haben. Weil sie dabei laut Anklage besagte zwei Messer in ihrem BH mit sich führte, eins mit einer Klingenlänge von etwa 18 Zentimetern sowie ein kleineres, wird ihr Diebstahl mit einem gefährlichen Werkzeug vorgeworfen. Zudem soll sie einer Mitarbeiterin des Ladens, die sie stellte, ihre Tasche ins Gesicht geschlagen sowie eine zweite mit einer Kopfnuss an der Nase verletzt haben.

An all das kann sich die Angeklagte jedoch nicht wirklich erinnern. Sie habe an jenem Tag Alkohol und Tabletten sowie einen Heroinersatzstoff konsumiert. "Ich weiß nicht, wie ich in den Laden gekommen bin", zuckt die Hamburgerin mit den Achseln. Die Messer habe sie jedenfalls nicht bei dem Diebstahl benutzen wollen, betont sie. "Die hatte ich auch geklaut." Später habe sie dann erfahren, "dass ich einen Zusammenstoß hatte. Das tat mir richtig leid, ich bin eigentlich nicht jemand, der jemanden anderen angreift."

Doch bevor es zu den Handgreiflichkeiten kam, hat sich Helga D. bereits rund anderthalb Stunden in dem Laden aufgehalten, erinnert sich die Marktleiterin des Discounters als Zeugin. "Sie hatte auch viel zu tun." Unter anderem habe sie Verpackungen von Tampons geöffnet und einzelne herausgepflückt. Die angebrochenen Schachteln habe sie wieder in den Regalen verstaut. "Außerdem hat sie Tabakdosen ausgeräumt, den Tabak in ihre alten Päckchen umgepackt und die Dosen ins Regal geschmissen." Schließlich, erzählt die Zeugin weiter, habe sie die Kundin gefragt, "was das soll. Da wurde sie aggressiv und ausfallend. Sie wirkte wie auf Droge, zappelte und gestikulierte wild und drohte, wir würden schon sehen, was wir davon haben." Dann habe sie ihr ihre Handtasche ins Gesicht geschlagen.

Auch eine Verkäuferin in dem Laden nennt Helga D. "sehr aufbrausend und aggressiv. Sie ist auf meine Chefin losgegangen und hat auf sie eingeschlagen", erzählt die 23-Jährige. Um die Angreiferin zu bändigen, habe sie deren Handgelenke gegriffen und fixiert. "Da bekam ich eine Kopfnuss genau auf die Nase, sie war gebrochen." Sechs Wochen habe es gedauert, bis die Verletzung verheilt war.

Und ein Polizist, der alarmiert worden war, erinnert sich an die Angeklagte als "schwer lenkbar". Er habe sie an der Schulter gefasst, daraufhin habe sie ihn gewarnt, er solle vorsichtig sein. Auf seine Frage, ob sie dort verletzt sei, habe sie geantwortet: "Nein, ich habe da zwei Messer." Ein größeres habe sie direkt in ihrem Büstenhalter versteckt gehalten, ein kleineres sei zudem noch in einer Strumpfhose eingewickelt gewesen. "Das war eher schwer zugänglich, es dauerte, bis sie es rausgefummelt hatte." Als Begründung für ihre messerscharfe Ausstattung habe die Frau gesagt, sie trage die Klingen zum Eigenschutz bei sich - "vor ihrem Ex".

Zwei Geldstrafen wegen Diebstahls hat die Angeklagte schon früher bekommen. Jetzt soll es nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von neun Monaten sein, die aber noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Der Amtsrichter verhängt schließlich eine siebenmonatige Bewährungsstrafe unter anderem wegen Diebstahls mit einem gefährlichen Werkzeug, weil Helga D. bewaffnet war. Als Bewährungsauflage muss die 37-Jährige 300 Euro Geldbuße zahlen. Das Urteil lässt sie erleichtert aufatmen, sie nimmt es sofort an. Denn Helga D. hatte nach eigenem Bekunden tatsächlich noch Schlimmeres befürchtet. Sie habe "schon fast mit Gefängnis gerechnet", hatte sie kurz vor der Urteilsverkündung zerknirscht gesagt. Jedenfalls wirke ihre Tat "schon fast wie eine Bewerbung dafür", hat ihr der Richter zugestimmt. Diesmal ist der Kelch noch an ihr vorübergegangen.