Ein Kommentar von Kai Schiller

Natürlich war der Aufschrei am Mittwochabend groß, als die deutsche Fußballnationalmannschaft in Bremen mit 1:2 gegen Frankreich verlor. Deutschland! Gegen Frankreich!! Verloren!!! Wie konnte es nur so weit kommen? Einer der wenigen, der nach dieser schier unerklärlichen Pleite angenehm entspannt blieb, war Bundestrainer Joachim Löw. Es sei eine verdiente Niederlage gewesen, sagte er, eine Niederlage, die einmal mehr in Erinnerung rief, dass bis zur EM im Sommer noch viel zu tun sei.

Was im ersten Moment wie eine dieser typischen Pressekonferenz-Floskeln klang, war bei genauer Betrachtung nicht mehr und nicht weniger als die reine Wahrheit. Manch einer dürfte bei all den Erfolgen in den vergangenen zwei Jahren vergessen haben, dass der angestrebte EM-Titel selbst für die zweifelsohne hochtalentierte DFB-Elf kein Selbstläufer sein wird. Insofern ist Deutschlands erste Niederlage nach knapp einem Jahr für Löw kein Beinbruch, sie ist ein Segen.

Das Spiel gegen Frankreich zeigte deutlich auf, an welchen Stellschrauben der Bundestrainer noch bis zur Euro in der Ukraine und in Polen drehen muss. Dabei weiß Löw längst, dass seine Mannschaft besonders in der Defensive auf wackligen Beinen steht. Die größte Gefahr für eine erfolgreiche EM scheint dagegen seit Mittwoch gebannt: die Gefahr, die eigene Leistungsfähigkeit zu über- und die Gegner zu unterschätzen. Das 1:2-gegen Frankreich ändert jedenfalls nichts daran, dass Deutschland neben Spanien als Top-Favorit im Juni in das EM-Turnier startet. Der ganz große Erfolgsdruck ist dank der Niederlage aber etwas kleiner geworden.