Die Kriminalstatistik ist nur bedingt aussagekräftig. Cyber-Delikte nicht einmal erwähnt

Ein Mord wiegt genauso schwer wie ein Handtaschendiebstahl, eine Vergewaltigung ist einer Beförderungserschleichung, umgangssprachlich Schwarzfahren, gleichgestellt: Selbstverständlich ist es - zum Glück - seit Langem gesellschaftlicher Konsens, dass eine solche Gewichtung nie und nimmer dem wahren Leben entsprechen kann und darf. Statistisch gesehen aber ist dies die pure Realität. Dieser Umstand zeigt, dass allein Zahlenberge keine Polizeiarbeit abbilden - und schon gar kein Bild der Sicherheitslage einer Stadt abgeben können.

Und dennoch ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die Hamburgs Innensenator Michael Neumann und Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch gestern für die Hansestadt präsentierten, Jahr für Jahr ein wichtiger Gradmesser. Richtig gelesen liefert sie den Fahndern, Ermittlern und Sachbearbeitern wichtige Hinweise auf die Aufgaben, die in naher - und ferner - Zukunft auf sie zukommen werden. Von diesen Zahlen zu erwarten, dass sie Sorgen und Ängste der Bevölkerung widerspiegeln, wäre allerdings zu viel verlangt.

Experten wie der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, zweifeln schon lange die Aussagekraft der Kriminalstatistik in ihrer jetzigen Form an und fordern stattdessen einen umfassenden Sicherheitsbericht, der auch die sogenannten Dunkelfelder beleuchten soll. Denn, und auch dies bemängeln Sicherheitsfachleute immer wieder, Zahlensammlungen wie die bundesweit vereinheitlichte Kriminalstatistik hangeln sich stets an Fallzahlen entlang, nicht etwa an Opfer- oder Geschädigtenzahlen. Eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit, Opfer einer bestimmten Straftat zu werden, lässt sich für den Bürger deshalb nicht aus dem Zahlenwerk erlesen. Und die im Dunkelfeld - die sieht man nicht.

Auf kurzfristige Erfolge bedachte Zyniker könnten also gar auf die Idee kommen, die PKS zu frisieren, indem sie sogenannte Kontrolldelikte einfach links liegen ließen. Wenn ermittelndes Personal - zum Beispiel aus dem Bereich der Drogenkriminalität - abgezogen wird, ist ein Sinken der Fallzahl die logische Konsequenz. Real dürfte sich das Bild eher ins Gegenteil verkehren. Die Zahl steigt, weil mangelnder Kontrolldruck Süchtige anzieht und der Drogenhandel aufblüht.

So oder so: Mit der Fertigstellung der PKS und den zugrunde liegenden Auswertungen hat sich die Polizei einmal mehr eine ganze Menge Hausaufgaben aufgegeben: Eine davon ist ganz gewiss der Bereich der Internet-Kriminalität, der erstaunlicherweise in dem gestern präsentierten Zahlenberg nicht einmal explizit ausgewiesen war. Die Zahl der Taten ist in Hamburg um 44 Prozent oder 1792 Fälle gestiegen. Die Dunkelziffer wird auf etwa 90 Prozent geschätzt. 80 Prozent dieser Delikte spielen sich auf Warenbörsen wie Ebay ab. Der Einkauf auf derlei Plattformen gehört für einen Großteil der Bürger inzwischen zum Alltag wie der Besuch eines realen Supermarktes. Cyber-Betrüger fischen mit weiten Netzen in einem schier endlosen Meer.

Dass Senat und Polizei einstimmig beteuern, dieses Thema in den Fokus nehmen zu wollen, wird die Täter eher belustigen als abschrecken. Handeln ist gefragt. Doch Konzepte sind nicht zu erkennen, mehr Personal(noch) nicht geplant. Dabei geht dieser Bereich inzwischen fast alle an.