Umweltgesetze behindern Investitionen - und diskreditieren sogar den Naturschutz

Das Problem ist fünf Millimeter groß - und millionenschwer. Die Zierliche Tellerschnecke, bislang vermutlich nur promovierten Biologen ein Begriff, kommt derzeit in Bergedorf ganz groß raus: Sie dürfte den Bau eines großen Logistikparks um Jahre verzögern. Ob Zierliche Tellerschnecke, Zwergfledermaus, Wachtelkönig oder Juchtenkäfer: Wenn in Deutschland Großprojekte anstehen, findet sich in Flora oder Fauna eine seltene Art, welche die gesamten Planungen kippen lässt. Zumal Umweltschützer oft gezielt auf die Suche gehen.

Ausgangspunkt des Ärgers ist die sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union. Schon 1992 trat diese Vorschrift - nicht zuletzt auf deutsches Drängen - in Kraft. Im Anhang ist eine umfangreiche Liste von Tier- und Pflanzenarten aufgeführt, die unter dem besonderen Rechtsschutz der EU stehen, weil sie selten und schützenswert sind. Ihre "Lebensstätten", so will es die Union, dürfen weder beschädigt noch zerstört werden.

In der Sache galt die FFH-Richtlinie als Meilenstein, doch in der Umsetzung erweist sie sich mehr und mehr als Stolperstein. Natürlich müssen naturnahe Gebiete vor Eingriffen und Versiegelung geschützt werden. Gerade der Naturschutz kommt hierzulande oft zu kurz und gehört gestärkt, etwa durch die Ausweisung zusätzlicher Landschafts- und Naturschutzgebiete. Doch zugleich müssen in Deutschland ausreichend Flächen für Infrastruktur, Wirtschaft oder Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Ein Industriestandort kann nicht flächendeckend unter Schutz gestellt werden.

Machen wir uns nichts vor: Oftmals geht es auch gar nicht um den Juchtenkäfer oder den Schierlings-Wasserfenchel, sondern Flora und Fauna werden nur als Mittel zum Zweck missbraucht, dem Ziel der Verhinderung. Wenn alle Petitionen und Demonstrationen, Begehren und Blockaden, Klagen und Kämpfe erfolglos bleiben, taucht plötzlich ein Mistkäfer wie in Stuttgart auf, um das Bahnhofsprojekt im Ganzen zu Fall zu bringen, oder in Hamburg der Schierlings-Wasserfenchel, um die neuerliche Elbvertiefung zu verhindern.

Gerade hierzulande macht man sich mit deutscher Gründlichkeit Probleme, die es gar nicht geben müsste. Ein besonders skurriler Fall ereignete sich auf der Uhlenhorst: Nachdem Bezirksamtsmitarbeiter auf einem Baugelände an der Hamburger Straße Fledermaus-Kot gefunden hatten, stieg der Investor verschreckt aus dem Projekt aus - die Konzernzentrale entstand anderswo.

Dabei waren Kleefarn-Kataster oder Zypressen-Zählungen sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers, der einst die FFH-Richtlinie beschloss. Und so sollte diese auch nicht missbraucht oder überinterpretiert werden, weil sie sonst schnell das Gegenteil bewirken könnte. Vermeintlicher Artenschutz behindert nicht nur Investitionen, sondern diskreditiert letztlich auch die Idee des Naturschutzes, indem er die Akzeptanz für Schutzmaßnahmen insgesamt untergräbt. Plötzlich stehen wieder Wachtelkönige gegen Wohngebiete, Kröten gegen Investitionen und Juchtenkäfer gegen Jobs. Damit fällt man zurück in die Schützengräben der 80er-Jahre - in eine Zeit, als Umweltschutz noch als Bremse des Fortschritts galt.

Es kann nicht angehen, dass Schnecken oder Wachtelkönige in dieser Stadt über Großprojekte entscheiden. Das sollten Behörden und Politik im Dialog mit den Bürgern und unter Abwägung der Kosten und des Nutzens tun. Es gibt durchaus ernst zu nehmende Argumente gegen den Logistikpark in Bergedorf. Die Zierliche Tellerschnecke - und sei sie auch Weichtier des Jahres 2011 - gehört nicht dazu.