Was das Fasten soll? Abspecken, den Leib entgiften, die Leber entlasten - den meisten von uns Wohlstandsmenschen kann es nicht schaden. Unsere Bäuche mögen unmerklich schrumpfen und dann wieder sehr schnell die bekannte Form annehmen - harte Kontrastbilder zu den aufgedunsenen Bäuchen unzählbarer Kinder in unserer gemeinsamen Welt. So erinnert Fasten an die Mehrzahl der Menschen, die nichts zu beißen hat, ruft zum Verzicht, zum Abgeben, zum Teilen auf. Durch Fasten sollen wir lernen, Menschen zu werden, die sich nicht selber zur höchsten und letzten Instanz machen, in Demut vor Gott, dem wahren Herrn aller Menschen, in aller Verantwortung vor ihm.

Der Aschermittwoch setzt ein erstes Zeichen: Alles ist vergänglich. Mein Leben bildet einen flüchtigen Moment. Ich kann ihn im letzten nicht verlängern. Ich kann noch so viel in mich hineinstopfen, noch so viel kaufen und tun, es sichert mich nicht wirklich. Was bleibt von mir? Gibt es die Macht, die mich trägt - im Leben und im Tod? Dies zu spüren, macht mich demütig, zu einem wahrhaften Menschen. Es weckt die Lust, den Hunger auf eine Speise, die wirklich satt machen kann, die Leben schenkt, das nicht vergeht.

Seit es Menschen gibt, erheben sie sich aus dem Staub. Sie schmecken und spüren den Hunger auf Gott. Er muss den Lebensdurst stillen, Speise eines Lebens werden, das Ewigkeitswert besitzt. Fasten soll den Hunger auf Gott wecken, uns frei machen von so vielem, was uns belastet. Wer sich darauf einlässt, kann erfahren: Gott eröffnet mir neue Sichten, schenkt mir neue Lebensqualität, macht mich zu einem verantwortlichen, hilfsbereiten Menschen. Christliches Fasten kennt viele Formen: den Verzicht auf Speise, auf Luxus; den Widerstand gegen die dauernden Ablenkungen und Betäubungen unserer modernen Welt; den neuen Blick auf Menschen in der Nähe und Ferne, die gerade mich brauchen; den harten Einsatz und Kampf. In all dem bekommen wir mit der Speise zu tun, die Gott uns Menschen schenken will. Fasten muss immer frei bleiben. Es verkommt unter der Maske der Heuchelei, dem frommen Augenaufschlag, der finsteren Miene der Selbstgerechtigkeit. Uns Christen schreibt es Jesus ins Gedächtnis: Ohne die rechte innere Haltung ist alles Fasten nichts wert. Regeln können dem Einzelnen helfen, dürfen aber nie ein Zwang werden. Hunger auf Gott lässt sich nicht verordnen. Keiner soll ihn für sich reklamieren.

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