Neustadt. In den ersten Monaten war alles gut und schön. Damals, als sie sich noch nicht so ewig kannten, als ihre Liebe noch frisch und unbeschwert war, selbst der Alltag in rosarote Farben getaucht schien. Wenn Carla M. von dieser ersten Zeit der Harmonie mit ihrem früheren Freund Boris H. erzählt, mischt sich ein Hauch von Wehmut in ihre Stimme, in der sonst so viel Bitterkeit und Resignation mitschwingt.

Heute ist nichts mehr gut und schön, die ehemals sonnige Zeit verdrängt von tiefen Schatten, von Sorgen und Ängsten. "Er hat mein ganzes Leben zerstört und das meiner Kinder", sagt die 43-Jährige über ihren ehemaligen Lebensgefährten. Denn dass ihre Beziehung längst Vergangenheit ist, aus und vorbei, scheint der Mann bis heute nicht zu begreifen. Und damit seiner früheren Partnerin das Leben zur Hölle zu machen.

Nachstellung wird dem Mann im Prozess vor dem Amtsgericht vorgeworfen, dazu Beleidigung, Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung. Der 36-Jährige soll wiederholt an der Wohnung seiner früheren Freundin aufgetaucht sein und sie auch auf der Straße abgepasst haben, obwohl sie gegen ihn eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, nach der er sich ihr nicht auf weniger als 50 Meter nähern dürfe, heißt es in der Anklage. Zudem habe er sie immer wieder übelst unter anderem als Nutte und Schlampe beleidigt, Fensterscheiben ihrer Wohnung eingeworfen und sich mit Wucht mehrfach auf ihr Auto geschmissen und es zerkratzt. Darüber hinaus soll der 36-Jährige ihr einmal einen Tritt in den Rücken versetzt und ihr sogar mit dem Tod gedroht haben, lauten die Vorwürfe weiter. Wegen der Drangsalierungen ist Carla M. demnach auf dauerhafte ärztliche Hilfe angewiesen.

Kläglich sieht der Mann auf der Anklagebank aus, zierlich und verzagt, mit hängendem Kopf und matter Stimme. Keiner, dem man auf den ersten Blick Verbohrtheit zutrauen würde, Penetranz bis zur Unerträglichkeit oder gar Aggressionen. "Die Beleidigungen gebe ich zu", räumt der Hafenarbeiter einen Teil der Vorwürfe ein. Doch bedroht oder gar verletzt habe er seine frühere Freundin nie. Jahrelang seien sie ein Paar gewesen, einige Zeit habe er auch bei ihr gewohnt, erzählt er weiter. Auch nach der Trennung hätten sie immer wieder zueinander gefunden und bis zuletzt auch Kontakt gehabt. "Wir haben erst gestern telefoniert. Es war ein nettes Gespräch. Und neulich sind wir noch essen gegangen."

Doch diese angebliche Harmonie scheint eher seiner Fantasie zu entspringen. Zeugin Carla M. empfindet dagegen vieles, was in den vergangenen Jahren geschah, als "Terror". Immer wieder habe Boris H. ihr trotz der vor etlichen Jahren vollzogenen Trennung aufgelauert, an ihrer Wohnung Sturm geklingelt, es habe "Beschimpfungen und Randale" gegeben, erzählt die dunkelhaarige Frau, und ihre Stimme überschlägt sich fast. Auch eine einstweilige Verfügung, die sie bereits vor drei Jahren erwirkte, habe nichts genützt. Er habe sie weiter verfolgt und bedrängt, mehrfach Fensterscheiben ihrer Wohnung eingeworfen. "Inzwischen zahlt die Versicherung nicht mehr. Und er hat mir sogar aufgelauert, wenn ich mein Kind zur Schule brachte. In letzter Zeit geht gar nichts mehr, es gibt Telefonterror, es nützt alles nichts. Wir müssen zum Teil sogar vom Einkaufen von der Polizei nach Hause gebracht werden." Auch habe Boris H. gedroht, er bringe sie um.

Sie sei über die Jahre krank geworden, erzählt Carla M., sie leide an Depressionen. "Und ich habe Angst, wenn ich allein bin, meide bestimmte Orte, weil ich ihm da begegnen könnte. Zudem bin ich misstrauisch und habe nur noch sehr wenige Freunde." Dabei wisse sie, dass ihr früherer Freund auch ganz anders sein kann. Eigentlich sei er "ein ganz Lieber", sagt sie. Doch wenn er Alkohol getrunken habe, sei er wie ausgewechselt, nicht zu ertragen.

Auch Boris H. erkennt, dass es so nicht weitergehen kann. Resignation spricht aus seinem Blick und Traurigkeit. "Ich habe sie ja seit Anfang des Jahres in Ruhe gelassen. Und ich will das auch weiterhin", verspricht der Angeklagte in Bezug auf seine Ex-Freundin. Und er beginne demnächst mit einer Therapie, kündigt er an. Das muss er auch. Ein Jahr Haft, ausgesetzt zur Bewährung, lautet das Urteil des Amtsrichters, der dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt. Eine der Bewährungsauflagen ist, dass Boris H. eben jene Therapie macht, eine andere, dass er jeden Kontakt zu Carla M. vermeiden müsse. "Sonst wird die Bewährung widerrufen." Dem Angeklagten müsse klar sein, dass er dann im Gefängnis lande. Aber daran hat auch die Frau, die unter seinem Terror leidet, kein Interesse. "Ich möchte nur meine Ruhe", seufzt sie. "Ist das zu viel verlangt?"