Der Hamburger Politikwissenschaftler war international renommiert und prägte das Uni-Institut. Er starb im Alter von 68 Jahren.

Hamburg. Wenn Hans Kleinsteuber ins Seminar kam, sorgte er mit raumfüllender Stimme gleich für Orientierung. "Guten Morgen, Sie befinden sich im Seminar Politik und Medien in den USA. Heute geht es um ..." Da war ein Viertel seiner Studenten plötzlich wach, ein Viertel verwirrt und die Hälfte verwundert, warum zu diesen Selbstverständlichkeiten eigentlich andere Hochschullehrer nicht in der Lage sind.

In der Nacht zum Sonnabend ist seine Stimme verstummt. Hans J. Kleinsteuber ist nach schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus gestorben.

Auch wenn er bereits vor drei Jahren emeritiert worden war, arbeitete der langjährige Professor für Politikwissenschaft doch weiter an der Universität Hamburg, reiste zu Tagungen, betreute Doktoranden, schrieb Gutachten und wissenschaftliche Beiträge. Wenige haben das Fach, die Studierenden und ein ganzes Institut so geprägt wie Kleinsteuber.

Aus seinen Studenten wurden kritische Geister, die mit ihrem Rüstzeug heute in den Medien, in Stiftungen, bei Parteien, bei der Europäischen Union arbeiten. Aus dem großen Zirkel seiner Doktoranden wurde der eine Minister, der nächste Chefredakteur, der übernächste einer der wichtigsten Medienmanager Deutschlands.

Kleinsteuber wurde in Lemgo geboren, studierte in Berlin und Harvard und wurde 1976 an die Uni Hamburg berufen. Da war sein Standardwerk über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der USA bereits in der ersten Auflage erschienen. Er lehrte in Japan, Kanada, Australien - aber die größte Affinität hatte er vermutlich zu den USA. Die amerikanische Demokratie, die Multikulti-Gesellschaft mit den vielen Ritualen faszinierte ihn.

Am Abend, als er mit Kollegen und Freunden den Abschied von seinem Lehrstuhl feierte, entschuldigte er sich nach dem Pflichtprogramm: Er gehe jetzt auf eine andere Party. In den USA werde gerade Barack Obama zum neuen Präsidenten gewählt. Der erste Schwarze im Amt. Und die offizielle Hamburger Feier dazu wolle er doch nicht verpassen.

Kleinsteuber forschte über das Zusammenspiel von Politik und Medien, schrieb über neue Telekommunikationstechnologien, da war den Deutschen das Wort Internet längst noch nicht geläufig. Die Privatisierung von Medien, von Telefonnetzen analysierte er, da gab es in Deutschland ARD, ZDF, die Dritten und ein Staatsunternehmen namens Bundespost. Seine Studenten provozierte er mal, indem er sagte: Bücher lesen sei okay, aber von gestern. "Jetzt heißt es surfen, surfen, surfen."

Für die Unesco arbeitete er als Fachmann, das Hamburger Amerikazentrum leitete er, als die USA den Etat zusammenstrichen und die Stadt das Amerika-Haus an einen anderen Ort verpflanzte, um die Immobilie zu verkaufen. Er war Experte in Kommissionen des Bundestags, saß acht Jahre im Rundfunkrat der Deutschen Welle.

Für das Abendblatt schrieb Kleinsteuber unter anderem über die Rathaus-Architektur und über den Stadtteil St. Pauli aus amerikanischer Sicht. Er war ein Hansdampf, immer neugierig, charmant, kaum zu stoppen. Er veranstaltete in seiner Eimsbütteler Wohnung Abende, an denen Wissenschaftler oder Autoren über ihre Werke sprachen. Er betrieb einen Salon der Ideen. Und er liebte Krimis. Über alles liebte er seine Tochter. Mit ihr trauern alle, die ihn kannten.