Die Stadt musste bei Hapag-Lloyd nachlegen. Jetzt ist strenge Kontrolle gefragt

Darf man das? Sich als Stadt mit mehr als einer Milliarde Euro an einem eigentlich privat organisierten Unternehmen beteiligen? Ist das Engagement Hamburgs bei der traditionsreichen Reederei Hapag-Lloyd noch mit marktwirtschaftlichen Grundprinzipien zu vereinbaren? Oder handelt es sich um eine vorschnelle, unnötige Teilverstaatlichung eines Großunternehmens? Setzt die Stadt leichtfertig Steuergeld aufs Spiel, das besser für moderne Kindergärten, Schulen, neue Straßen und Brücken ausgegeben werden müsste? Oder sichert sie mit ihrem Eingreifen das notwendige Wachstum im Hamburger Hafen, der wirtschaftlichen Lebensader der Hansestadt?

Der großzügige Einstieg Hamburgs bei Hapag-Lloyd wirft provokante Fragen auf, lässt ökonomische Weltanschauungen aufeinanderprallen. Allzu einfache Antworten sind allerdings fehl am Platz. Dafür ist die globalisierte Ökonomie viel zu komplex geworden. Die in Fachbüchern in Form von Diagrammen und Formeln dargestellte Lehre der reinen Marktwirtschaft gilt längst nicht mehr - Markt und Staatsinterventionen gehen fließend ineinander über. Und wer in dieser Welt als Wirtschaftsstandort erfolgreich sein will, der muss agieren, darf sich nicht nur auf die Rolle des Beobachters beschränken.

So war es schon im Jahr 2008, als die Staatsreederei NOL aus Singapur nach Hapag-Lloyd griff. Was hätte die Stadt tun sollen? Zuschauen, wie ein übermächtiger Konkurrent Hamburgs wichtigste Reederei zerschlägt, die Zentrale verlegt und die damals noch positive Entwicklung im heimischen Hafen zumindest gefährdet? Schließlich ist Hapag-Lloyd mit seinen Partnern für fast jeden zweiten in der Stadt umgeschlagenen Container verantwortlich. Hamburg musste handeln und mit privaten Lokalpatrioten wie dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne der heimischen Reederei zur Seite springen. Alles andere wäre töricht gewesen.

Und 2012? Im kommenden September hätte die TUI erneut die Mehrheit an Hapag-Lloyd weltweit anbieten können. NOL wurde schon wieder als potenzieller Käufer genannt. Die Stadt war erneut gefordert, musste finanziell nachlegen. Dass sie nun zum größten Anteilseigner bei der Reederei am Ballindamm aufsteigt, liegt sicherlich daran, dass Hamburgs private Partner derzeit nicht mehr Geld flüssigmachen können. Das Risiko für den Steuerzahler ist deshalb deutlich größer - und die Verantwortung für die Stadt steigt.

Zuversichtlich stimmt die Tatsache, dass die Stadt bei ihren jüngsten Rettungsaktionen für private Großunternehmen eine Erfolgsbilanz vorweisen kann. Sowohl die Beteiligung am Nivea-Hersteller Beiersdorf als auch das kurzfristige Investment bei der Norddeutschen Affinerie wurden mit Gewinn wieder veräußert. Und in beiden Fällen konnten die Zentralen und Arbeitsplätze bis heute in der Stadt gehalten werden.

In einer Welt, in der Heuschrecken in Menschengestalt ihre Investments ausschließlich nach dem Prinzip der schnellen Gewinnmaximierung aussuchen, müssen sich Länder und Städte zur Wehr setzen. Sie müssen die Interessen ihrer Bürger mit allen zulässigen, rechtsstaatlichen Mitteln verteidigen. Allerdings dürfen sie auch nie vergessen, wessen Geld sie dafür in die Hand nehmen - nämlich das der Steuerzahler.

Deshalb muss jedes staatliche Investment zeitlich begrenzt und streng kontrolliert werden. Und genau in diesem Punkt droht Ungemach bei Hapag-Lloyd. Denn wer gibt die Richtung vor, sollte die Reederei in schwere See geraten? Klaus-Michael Kühne? Die Stadt? Oder doch noch ein wenig die TUI? In der Vergangenheit hat es viel Streit unter den Anteilseignern und Scharmützel zwischen Besitzern und Vorstand gegeben. Damit muss sofort Schluss sein.