Eine Erleuchtung von Verena Fischer-Zernin

Wenn man die Leute nicht fragt, dann stimmen sie eben mit den Füßen ab. Alle reden immer nur von Premieren, doch das Publikum, das unberechenbare, es geht zum allergrößten Teil ja doch in die Repertoirevorstellungen. Wahre Schätze gibt es da zu heben, etwa Ehrentitel wie "256. Vorstellung seit der Premiere am 13. April 1975" - damit kann sich beileibe nicht jede Opernproduktion schmücken. Verdis "La Traviata" an der Staatsoper (Regie: Folke Albenius) war auch in ebenjener Vorstellung kein bisschen rumpelig, sondern toll gesungen, lebendig gespielt und musiziert, dazu samtschwer, rund und gediegen anzuschauen, wie der Hamburger das gern hat. Und so gut besucht wie eh.

Vielleicht hat es ja einfach noch keiner gemerkt, dass Opernproduktionen reifen müssen wie ein Grand Cru aus dem Bordelais? Ungeahnte Perspektiven tun sich da auf, Motto: Gut abgehangen ist besser als neu inszeniert. Neue Produktionen bekommen eine Sperrfrist von fünfzig Jahren. Aktuelle Bezüge? Ach was, die stören ohnehin nur. Einstweilen heißt es: In die Archive, Leute! Wozu brauchen wir Regisseure, wenn wir Opernwerkstätten haben? Her mit den guten alten naturalistischen Bühnenbildern, mit Perücken, Reifröcken und Kronleuchtern!

Die "Traviata" wird übrigens zur nächsten Spielzeit ausgewechselt. Nach nur 37 Jahren. Wenn die Staatsoper da mal nicht ein klitzekleines bisschen übereilt gehandelt hat.