Stellingen. Einmal Weinbergschnecken, bitte! Was in den 70er- und 80er-Jahren in Mode war, diese braunen Steingutpfännchen mit den Vertiefungen, in denen die gegarten Weichtiere in Kräuterbutter ertränkt neben Weißbrotstreifen dümpelten, ist für Draco heute noch eine Leibspeise. Die Echse bevorzugt ihre Schnecken roh. "Dafür beschwert sie sich auch nicht über ein wenig Gehäuse im Mund, das spuckt sie einfach aus", sagt Marion Minde und lacht. Minde ist Tierpflegerin in Hagenbecks Tropen-Aquarium, wo Draco, der Krokodilteju, lebt.

Dracaena guianensis gehören zur Familie der Schienenechsen. Das bezieht sich auf regelmäßig angeordnete Schilder oder Schienen auf dem Bauch der Tiere. Zwei der im großen Amazonasbecken im östlichen Peru, nördlichen Bolivien und im zentralen und westlichen Brasilien beheimateten Reptilien bewohnen im Südamerika-Teil der Hamburger Tropenwelt ein Gehege gemeinsam mit den Stirnlappenbasilisken und zwei Süßwasserrochen.

Krokodiltejus sind eindrucksvolle Hingucker: Sie werden bis zu 140 Zentimeter lang und sind am Körper olivgrün bis dunkelbraun gefärbt. Der Kopf setzt sich bei den Männchen leuchtend orangefarben ab, der der Weibchen ist grün. "Wir nehmen an, dass wir ein Pärchen haben", sagt Marion Minde, "aber es könnte auch sein, dass das kleinere Tier ein unterdrücktes Männchen ist, das sich als Weibchen tarnt." Das passiere bei vielen Leguanen, erklärt Minde: Kommen mehrere Männchen in einem Revier (oder Gehege) vor, ohne sich aus dem Weg gehen zu können, bleiben sie kleiner von der Statur und zeigen eine Färbung, die der der Weibchen ähnelt. "So vermeiden sie Stress mit dem kräftigeren Rivalen", sagt die Reptilien-Fachfrau.

Dabei sind weder Draco noch der kleinere Krokodilteju bisher ausgewachsen. Minde: "Draco ist etwa 80 Zentimeter lang, das zweite Tier etwa 70 Zentimeter. Die Hälfte davon ist jeweils Schwanz. Wir haben die beiden Tejus vor drei Jahren ohne eine Altersangabe von einer Zuchtfarm bekommen und nehmen an, dass sie jetzt gut fünf Jahre alt sind."

Wer Draco im Wasser beobachtet, der kann nachvollziehen, woher der Ausdruck Krokodil im deutschen Namen der Art kommt: Die Beine eng an den Körper angelegt, schwimmen die Reptilien durch kräftige Schläge ihres seitlich abgeflachten Schwanzes. "So können sie auch auf- und abtauchen, frei im Wasser schweben, aber auch lange auf dem Grund liegen", erzählt Minde, die schon einmal von einem Kollegen gerufen wurde, dem der Aufenthalt "eines Tieres am Beckengrund unnatürlich lange" erschien. Doch Draco ging es bestens.

Die recht seltenen, bis zu drei Kilo schweren Krokodiltejus bewohnen im feuchtwarmen tropischen Regenwald vor allem wasserreiche Sumpfgebiete. Aber auch vegetationsreiche Altarme von Flüssen werden von ihnen häufiger besiedelt. Dabei halten sich die Echsen keineswegs nur im Wasser auf: "Sie sind recht flink an Land und auch gute Kletterer - etwa unsere Hosenbeine hoch, wenn es mit dem Futter nicht schnell genug geht", sagt Marion Minde und lacht. Für die Tierpfleger kann das ein schmerzhaftes Unterfangen sein, haben die Tiere doch kräftige Krallen, mit denen sie sonst auf Bäume hochsteigen oder Termitenbauten aufgraben, in die die Weibchen ihre Eier ablegen.

Gerne liegen die Wärme und Sonne liebenden Krokodiltejus auf Ästen über einem Gewässer, in das sie sich bei Gefahr mit einem Sprung retten. Und in dem sie dann nach ihrer Leibspeise, den Wasserschnecken, jagen. Diese öffnen sie übrigens, wie Marion Minde sagt, nach Nussknackermanier mit ihren vorderen, höckerartigen Zähnen. "Die hinteren Zähne sind dann zum Zermahlen der Beute da." Wobei das Gehäuse sorgsam ausgespuckt wird.

Sewigs Tierwelt macht fünf Wochen Pause. Lesen Sie die nächste Folge am Mittwoch, 14. März: Warzenschwein Schweini