Die Münchner Sicherheitskonferenz hieß einmal Wehrkundetagung. Das ist heute nicht mehr zeitgemäß - und entspricht auch nicht mehr dem Charakter und dem Inhalt der Veranstaltung. Auf der Agenda des jährlichen Treffens von Politikern, Wirtschaftslenkern und Experten in der bayerischen Landeshauptstadt stehen längst auch Themen wie Klimawandel, Energiesicherheit und Finanzkrise. Aber nicht nur.

Die großen weltstrategischen Themen mit militärischer Komponente dominieren nach wie vor. Ein Iran mit Atomwaffen etwa wäre nach wie vor nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern für die ganze Region. Neben der tatsächlichen Gefahr, die vom Regime in Teheran ausgeht, schießt auch manche Spekulation ins Kraut, die eher vor dem Hintergrund innenpolitischer Interessen zu sehen ist. Eine Sperrung der Straße von Hormus etwa klingt wie eine markige Drohung. Vor allem aber wollen die iranischen Führer ihrem eigenen Volk damit Stärke und Initiative demonstrieren. Im Ernstfall wäre das Mullah-Regime, das fast ausschließlich vom Ölexport lebt, viel stärker betroffen als der Rest der Welt.

Ebenso angezweifelt werden darf die Sinnhaftigkeit des westlichen Raketenschildes gegen potenzielle Angriffe eben aus dem Iran oder gar aus Nordkorea. Einmal von der geringen Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles abgesehen, heizt das Projekt die Spannungen mit Russland an, das von der Aussicht auf US-Raketen vor der eigenen Haustür wenig begeistert ist. Der westlichen Logik, dass dies eine vertrauensbildende Maßnahme sei, wird Moskau niemals folgen. Der deutsche Verteidigungsminister wiederum freut sich völlig unabhängig davon darüber, dass die Bundesrepublik in der geostrategischen Rechnung der USA noch eine Rolle spielt und so 100 Dienstposten mehr nach Ramstein kommen, wo die Kommandozentrale des Raketenschirmes stationiert werden soll. Weltpolitik aus der Perspektive lokaler Strukturförderung!

Was übrigens nicht der schlechteste Ansatzpunkt ist. Denn Sicherheit lässt sich dauerhaft nicht allein durch militärische Drohpotenziale herstellen, sondern vor allem durch den Abbau sozialer Spannungen. Derer gibt es mehr als genug auf der Welt - angesichts der grassierenden Finanzkrise und der Verwerfungen, die die Globalisierung mit sich gebracht hat, nehmen sie derzeit sogar weiter zu. Das spürt nicht nur China mit seinem Heer von beinahe rechtlosen Wanderarbeitern; das betrifft nicht nur Bangladesch, wo in Sklavenarbeit Textilien für die Welt genäht werden, oder afrikanische Gesellschaften, in denen um rares Land und Wasser gestritten wird. In Form von Wanderbewegungen klopft das Elend auch an unsere Tür.

Und in Gestalt Griechenlands wohnt der soziale Sprengstoff bereits mitten in der EU. Neben all den Diskussionen über Rettungsschirme und Sparkommissare wird nämlich eines zu leicht übersehen: Ein Griechenland, das von der Gemeinschaft fallen gelassen wird, ein Staat, in dem die Eliten ihre Vermögen ins Ausland transferiert haben und die große Mehrheit der Bevölkerung das Nichts vor Augen hat, kann mit unabsehbaren Folgen außer Kontrolle geraten.

Dass Europa ein Friedensprojekt sei, ist keine leere Worthülse. Das hat gewiss seinen Preis. Den sollte es uns aber nach den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit und angesichts der Segnungen einer jahrzehntelangen Friedensperiode auch wert sein. Und statt Frieden bei uns als Selbstverständlichkeit wahrzunehmen und darüber zu lamentieren, dass die Rolle der EU oder Deutschlands im großen Spiel der Weltmächte zu gering sei, ist ruhig auch etwas Stolz auf das angebracht, was wir in Europa geschafft haben. Von Europa kann auch jede Sicherheitskonferenz dieser Welt lernen, wenn es ihr um Stabilität, Frieden und Zukunft geht.