Schleswig-Holstein streckt die Hand aus. Hamburg sollte einschlagen

Es war eine Szene mit Symbolkraft: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), zu Besuch in China, zeigt den Gastgebern auf einer Weltkarte, wo Schleswig-Holstein liegt. Als er den Daumen auf sein Heimatland legt, ist Hamburg gleich mit abgedeckt. Und das liegt nicht nur daran, dass Carstensen einen dicken Daumen hat.

Schleswig-Holsteins Noch-Ministerpräsident hat schon lange erkannt, dass beide Bundesländer nur eine Chance haben, wenn sie immer enger kooperieren und dabei den Mut aufbringen, dass eigentlich Selbstverständliche auch auszusprechen.

In einer globalisierten Welt und selbst in einem Europa der Regionen können Schleswig-Holstein und Hamburg allein nicht überleben. Zukunft hat nur ein Nordstaat. Dritter im Bunde könnte Mecklenburg-Vorpommern sein.

Schleswig-Holstein und Hamburg haben über Jahre auf eine solche Verbundlösung zugesteuert. Mit der HSH Nordbank, der Datenzentrale oder dem Statistikamt Nord gibt es mehr gemeinsame Ländereinrichtungen als irgendwo sonst in Deutschland. Seit dem Amtsantritt von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) aber ist der Länderflirt abgebrochen. Hamburg stornierte Fusionsprojekte wie eine gemeinsame Wirtschaftsförderungsanstalt, machte der Windmesse in Husum offen Konkurrenz und im Bundesrat Front gegen das von Schleswig-Holstein wie von Niedersachsen durchgesetzte Länderveto gegen unterirdische CO2-Speicher.

Der jüngste Konflikt - Hamburg vergaß, Kiel rechtzeitig über den Arbeitseinsatz eines Ex-Verbrechers in Norderstedt zu informieren - hat in Schleswig-Holstein den Eindruck verstärkt, dass Scholz nur den Michel im Blick und das Umland nicht mehr auf der Rechnung hat.

Dieser Stil wird in Schleswig-Holstein als arrogant empfunden. Auch in Hamburg wachsen die Zweifel, ob solcher Lokalpatriotismus sich wirklich für die Metropole auszahlt. Die Hansestadt ist unbestritten das Kraftzentrum in Norddeutschland. Sie kann allerdings nur florieren, wenn die Nachbarn mitziehen. Ohne Schleswig-Holstein und Niedersachsen gibt es keine Elbvertiefung, keine Öko-Ausgleichsflächen dafür und letztlich für Hamburg auch keine Wachstumschancen. Die Metropole braucht in den nächsten Jahren mehr neue Gewerbeflächen, als sie ausweisen kann. Jenseits der Stadtgrenze liegen Flächen brach. Dieses klassische Stadt-Umland-Problem lässt sich nur sinnvoll lösen, wenn es für die Metropolregion eine länderübergreifende Planung gibt.

Carstensen weiß das und er geht nicht nur wegen des Wahlkampfs in Schleswig-Holstein mit ausgestreckter Hand auf Hamburg zu. Die Einladung für die gemeinsame Kabinettssitzung kommt aus Kiel. Vorbereitet sind Eckpunkte eines Grundsatzabkommens mit Hamburg, das unvermeidbare Konflikte zwischen Stadt und Umland entschärfen und neue Projekte beflügeln könnte. Scholz sollte beim Nord-Gipfel in Kiel einschlagen. Er könnte so eine neue Phase der norddeutschen Zusammenarbeit ermöglichen und damit auch vielen Hamburgern das Leben leichter machen.

Nicht nur in China ist keinem Menschen zu erklären, was es mit dem Gastschulabkommen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein auf sich hat. In einer Region, die unter einen Daumen passt, sind zwei Schulsysteme teurer Unfug und eine Angleichung auch der Bildungsstandards Pflicht. Und natürlich müssen Eltern dies- und jenseits der Ländergrenze schnellstmöglich frei darüber entscheiden dürfen, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken. Bis dahin ist leider noch ein weiter Weg. Ein erster Schritt wären vertrauensbildende Maßnahmen. Beide Länder dürfen nicht auf Maximalpositionen beharren, müssen die Sorgen der anderen Seite ernst nehmen und sich wechselseitig über ihre Pläne informieren - so wie es guter hanseatischer Stil ist.