Seitdem die schreckliche Mordserie der Zwickauer Terrorgruppe aufgedeckt wurde, wird viel geredet und geschrieben über die Gefahr des Rechtsextremismus in Deutschland. Das ist auch gut so. Doch haben mich dabei die überraschten Reaktionen einiger Politiker verwundert. Denn die Umtriebe der neuen Nazis inmitten unserer Gesellschaft sind beileibe kein neues Problem.

Trotz aller Warnungen haben Teile der Politik und Strafverfolgungsbehörden über Jahre die Bedrohungspotenziale von rechts falsch eingeschätzt.

In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen sitzen die neuen Nazis bereits seit Jahren in den Landtagen. Eine unerträgliche Situation, dass diese Menschenfeinde von Steuergeldern unterstützt ihre Parolen öffentlich verbreiten dürfen! Ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD ist deshalb unbedingt erforderlich.

Der Staat muss dafür sorgen, dass alle Menschen in Deutschland sicher sind vor dem Nazi-Terror. Und deshalb ist auch der parteiübergreifende Untersuchungsausschuss, der seit vergangener Woche tagt, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die bisherigen Handlungsansätze von Verfassungsschutz und Polizei müssen einer Prüfung unterzogen werden. Und es ist ermutigend, dass die Parteien sich vorgenommen haben, in diesem Ausschuss an einem Strang zu ziehen, und dass man sich im Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Bund und den Ländern zu verbessern, ebenfalls einig ist.

Doch mit Ausschüssen und Verboten allein lässt sich das rechtsextreme Gedankengut nicht aus unserer Gesellschaft verbannen. Wir müssen darüber hinaus vor allem präventiv dafür sorgen, dass Jugendliche diesen Demokratiefeinden gar nicht erst auf den Leim gehen. Als Sozialministerin bin ich viel im Land unterwegs. Ich kenne Orte, die fest in der Hand der neuen Nazis sind. Zum einen versuchen sie mit subtilen Mitteln, insbesondere Vereine und Verbände vor Ort zu unterwandern, zum anderen setzen sie durch Gewalt und Drohungen die Nachbarschaft unter Druck und verbreiten ihr menschenfeindliches Gedankengut.

Hier brauchen Menschen Rat und Hilfe, wie sie damit umgehen, wenn der freundliche Nachbar oder der Kamerad aus dem Sportverein aktives NPD-Mitglied ist. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir 2011 fünf Regionalzentren für demokratische Kultur eingerichtet, die kostenfrei Beratung und Unterstützung leisten. Und wir müssen denjenigen helfen, die vor Ort oft unter hohem persönlichen Risiko den Nazis die Stirn bieten.

Die Demokratieinitiativen in Anklam oder Dortmund brauchen einen verlässlichen finanziellen Rahmen und weniger statt mehr Bürokratie. Was sie daher ganz sicherlich nicht brauchen, ist die Gängelung durch die Extremismusklausel von Bundesministerin Schröder. Sie stellt damit alle Menschen, die in Demokratieprojekten arbeiten, unter einen Generalverdacht. Und gemeinsam mit Bundesinnenminister Friedrich verteidigt sie seit Tagen die massive Überwachung von Politikern der Linkspartei - wo doch erst kürzlich bekannt wurde, dass mehrere Morde von Rechtsextremisten durch Staatsversagen möglich waren. Sie treffen sich medienwirksam mit Initiativen gegen Rechtsextremismus - um diese schließlich doch mit ihrer Forderung nach weniger Bürokratie und Gängelung abblitzen zu lassen, statt ihnen den Rücken zu stärken. Glaubhafte Politik sieht anders aus.

Wer glaubt, die neuen Nazis seien ein rein ostdeutsches Phänomen, der irrt. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ihnen keinen Raum zu lassen und entschieden entgegenzutreten. Dabei hilft vor allem ein gutes Bildungssystem, das nicht länger jährlich 50 000 Jugendliche ohne Abschluss und damit ohne Perspektive entlässt. Denn wem in diesem Staat keine Perspektive auf eine gute Zukunft gegeben ist, der wird eher empfänglich für die dumpfen Parolen der neuen Nazis.

Wir müssen also als Gesellschaft zusammenstehen: uns kümmern, nicht weggucken.