"Was alles passiert! Nur die Treppenstufe übersehen. Knöchelbruch. Ausfall über mehrere Wochen." Die Bedrohung lauert überall: "Schrecklich." Die Runde stachelt sich gegenseitig an. Die Geschichten werden immer tragischer, grotesker und unberechenbarer: Unfälle, Fehlentscheidungen, Trennungen. Es ist keine Kunst, sich gegenseitig zu verunsichern. Ein Befreiungsschlag wäre jetzt gut. Aus einer Ecke ertönt die Stimme: "Denk dran, wie viel Glück du hast." Das kommt so plötzlich. Das Durcheinander der Stimmen verstummt. Der Zwischenrufer ist Spielverderber und Glücksbote zugleich. Aber es wirkt: Der Grusel der Bedrohung verliert an Kraft. Bevor einem ganz schwindelig wird, was alles passieren könnte, hilft ein einfacher Einspruch.

Beim Lesen des 103. Psalms habe ich den Eindruck, der Beter des Psalms könnte auch in so einer Schreckensmeldungen-Runde gesessen haben. Mit dem Blick nach oben hätte er laut dazwischengerufen: "Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." Gott hält für dich viel mehr bereit, als du denkst. Beim Blick darauf, was nicht klappt, einen hindert oder beschwert, einfach mal die Perspektive zu wechseln; das ist die Kunst: Vergiss nicht, was Gott dir Gutes tut. Man kann es sich gegenseitig erzählen. Manche schreiben Glückstagebücher, um solche Momente für sich festzuhalten.

Ich erinnere mich an ein solches aufrüttelndes Erlebnis. Vor einiger Zeit musste ich eine Frau beerdigen, die in meinem Alter war. Ihre Eltern, ihr Mann, die beiden Söhne trauerten um sie. Der Krebs war nicht zu besiegen. Nach der Beerdigung nehme ich das Auto. Ich bin noch aufgewühlt. Beim Einparken klappt gar nichts. Ein Taxifahrer beobachtet mich. Ich warte auf einen blöden Spruch. Als ich aussteige, lächelt er und ruft mir aufmunternd zu: "Jeder Tag ist anders." Ich war ihm so dankbar. "Was alles passiert!" Gott muss seine Finger im Spiel gehabt haben. Meine Seele hat den "Zwischenruf" dieses Taxifahrers bis heute nicht vergessen.

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