Bezirk Mitte beauftragte einen Verein mit der Betreuung der Pflegefamilie

Altstadt. Bei der Aufarbeitung der Umstände, die zu dem Tod der elfjährigen Chantal geführt haben, wird eines deutlich: Die Stadt hat aus Kostengründen wichtige Aufgaben an Unternehmen ausgegliedert. So war es eben nicht das Jugendamt, sondern eine private Trägerorganisation, die die Pflegefamilie von Chantal geprüft und am Ende für gut befunden hat. Laut Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber sei dies "gängige Praxis" in der Stadt. Nach dem tragischen Tod kommt er zu der Überzeugung: "Vielleicht wäre es besser, wenn das Jugendamt die Pflegeeltern prüft." Doch dafür fehlte ihm das Personal, wie er im Gespräch mit dem Abendblatt betonte.

Neben den Mitarbeitern des Verbundes Sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE), der Trägerorganisation, hatten fünf Mitarbeiter des Bezirksamts Kontakt zu der Pflegefamilie. Dabei handelte es sich um zwei Amtsvormünder, zwei Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes sowie einen Vorgesetzten. Laut Schreiber seien allein seine Mitarbeiter etwa einmal im Monat bei der Pflegefamilie zu Besuch gewesen. Zuletzt habe es am 4. Januar einen Routinebesuch gegeben. Wie berichtet, stapelte sich in der Wohnung schmutzige und saubere Wäsche auf dem Boden, Schränke gab es nicht. Die Umstände seien von den Mitarbeitern als nicht kindeswohlgefährdend eingeschätzt worden. Wie das geschehen konnte, sei nun Gegenstand der Untersuchung, die Schreiber angestoßen habe. "Ich will wissen, warum nichts festgestellt worden ist, wenn so viele Mitarbeiter in der Wohnung waren." Ebenso soll geprüft werden, ob eine mögliche Drogenabhängigkeit bei den Pflegeeltern geprüft worden war.

Schreiber weiß, dass knapp drei Jahre nach dem Tod des Babys Lara-Mia, ebenfalls in Wilhelmsburg, sein Jugendamt erneut in der Kritik steht. "Wenn ein Kind stirbt, ist es immer eine Katastrophe. Wir haben aber schon damals gesagt, dass wir es nicht versprechen können, dass so etwas nicht noch einmal passiert", sagt Schreiber. Zudem seien die Fälle nicht vergleichbar. Lara-Mia sei ein Baby gewesen. Chantal war elf Jahre und sei an einer Vergiftung gestorben. Dass etwas in der Familie aus dem Ruder lief, sei etwa der Schule nicht aufgefallen. Dennoch waren die Defizite in dem Pflegeelternhaus offensichtlich. Schreiber: "Ich möchte aber erst einmal herausfinden, was genau schiefgelaufen ist, bevor ich Konsequenzen ziehe."