Der Antisemitismus ist leider ein latentes Problem

Im Prinzip ist es ist ein gutes Zeichen, wenn ein britischer Verleger Auszüge aus Hitlers Pamphlet "Mein Kampf" 67 Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft an deutsche Kioske bringen will. Denn im Original wird erst klar, welchen volksverhetzenden Stumpfsinn der braune Diktator weit vor seinem Aufstieg zum Reichskanzler verbrochen hat. Doch hinter solchen Aktionen steckt immer auch der Stachel der Provokation. Und das schmerzt in diesen Zeiten.

So sehr wir uns nach halbwegs geglückter Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung der NS-Geschichte, nach gelungenen Parodien in Film und Literatur quasi entnazifiziert haben, bleibt ein Rest Unbehagen zurück. Von den Vorurteilen gegenüber "den" Juden hat sich offenbar auch das aufgeklärte Deutschland nicht lösen können. Jeder fünfte Deutsche trage einen "latenten Antisemitismus" in sich, heißt es in einer neuen Studie. Dass die schlimmsten Wortführer sich des Internets bedienen, belegt, wie zeitgemäß sich diese gebärden. Das mögen nur Instrumente des Irrsinns sein. Doch das ohnehin an Hetzereien randvolle Internet kübelt seine Botschaften über junge Bürger. Wer nicht hundertprozentig geschichtsfest oder einfach unbedarft ist, der mag den Botschaften der antisemitischen Einflüsterer auf den Leim gehen.

Da wird Kritik an der aktuellen israelischen Politik gezielt überzeichnet. Der Einfluss Jerusalems auf die internationale Politik kommt in neuen Verschwörungstheorien daher. Islamisten - nicht Muslime generell - greifen jahrhundertealte Vorurteile auf. Und selbst im Sport findet sich "Du Jude" als Schimpfwort wieder. Der Deutsche Fußball-Bund mag mit Aktionen gegen Rassismus vorbildlich auf Entgleisungen reagiert haben. Doch antisemitische Sprüche gehören in den unteren Ligen und bei den Fans einschlägiger Vereine zum Standardrepertoire der Verunglimpfung.

Die Zwickauer Neonazi-Zelle hat erschütternd bewiesen, wie kurz der Weg von der verbalen Entgleisung über öffentlich zur Schau getragene Hassplakate bis zu Mord und Totschlag ist. Man möchte es nicht wahrhaben - aber die offene Gesellschaft hat noch immer zu viele Feinde.