Über pfandgeben.de kann jeder sein Leergut abholen lassen und Not leidenden Sammlern spenden

Hamburg. Sie nennen sich Siggi, Kicki, Berti und Pfandfan. Sie halten die Augen offen, wenn sie auf der Straße unterwegs sind. Einige durchwühlen sogar Mülltonnen, klettern in Parks hinter Büsche, wenn sie dort etwas vermuten, das ihnen Geld einbringen könnte. Denn für Hunderte Hamburger gehört es zum Alltag, fremde Pfandflaschen zu sammeln, um genug Geld zum Überleben zu haben.

"Eigentlich liegt das Geld auf der Straße herum", sagt Fred, der eigentlich ganz anders heißt. Das Pseudonym hat er sich gegeben, weil es ihm unangenehm ist, sich seine Rente aufzubessern, indem er Pfandflaschen anderer Leute einsammelt. Besonders wichtig ist es dem Hamburger, dass seine Kinder nichts von seinem Nebenverdienst mitbekommen.

Einen entscheidenden Unterschied gibt es jedoch zwischen Fred und den Flaschensammlern, die Tag für Tag nahezu professionell durch die Straßen der Hansestadt ziehen, um Pfandflaschen zu ergattern. Fred hat sich auf der Internetseite pfandgeben.de angemeldet, eine Art Flaschensammler-Datenbank. Nutzer können dort Kontakt zu registrierten Mitgliedern aufnehmen und ihnen ihr Leergut zur Abholung anbieten, damit diese es zu Geld machen können. "Das ist ein Vorteil für beide Seiten", sagt Richard Metzler, der die Homepage technisch betreut. "Bei vielen Leuten häufen sich die Plastikflaschen zu Hause an, weil sie einfach keine Zeit haben, sie bei der nächsten Annahmestelle abzugeben", sagt der Programmierer. "Obdachlose und Bedürftige profitieren davon, können sich leicht Geld nebenbei verdienen." Seit Juli 2011 gibt es die Datenbank, die auf einer Seminararbeit des Berliner Studenten Jonas Kakoschke basiert. Nach einer Party überlegte sich der heute 28-Jährige, dass es doch sehr praktisch sei, wenn jetzt jemand zum Abholen seines Leerguts vorbeikäme. Unterstützt wird er von Richard Metzler, einem befreundeten Programmierer, der für die Pflege der Datenbank zuständig ist.

Mittlerweile sind bundesweit 570 Pfandnehmer registriert, sie leben in 179 Städten. In Hamburg sind es 20, aber es werden immer mehr. Die registrierten Sammler sind auf 15 Stadtbereiche aufgeteilt. Ihre Handynummer wird nach der Auswahl des Stadtteils angezeigt. Dann kann der Besucher der Seite den Sammler kontaktieren. Gezielt nach Flaschen hatte Fred nie gesucht, bevor er sich bei der Datenbank anmeldete. "Eher mal die eine oder andere mitgenommen, die ich durch Zufall entdeckt habe." An diesem Tag wurde er jedoch bereits von drei Leuten angerufen, die ihm sein Leergut überlassen wollen. "Manchmal wird man aber auch einen Monat lang nicht kontaktiert. Echt kalkulieren kann man mit dieser Nebeneinkunft nicht." Grundsätzlich empfindet der Frührentner die Sammler-Datenbank als eine Bereicherung, ist sich jedoch nicht sicher, ob das Angebot bei allen ankommt, die das Pfandgeld bitter nötig hätten. "Nicht jeder hat einen Internetzugang oder ein Handy, das man braucht, um erreicht zu werden."

Ähnlich sieht es Stephan Karrenbauer, der als Mitarbeiter beim Hamburger Straßenmagazin "Hinz&Kunzt" viel Kontakt zu Obdachlosen hat. "Besser wäre es natürlich, wenn man die Bedürftigen direkt anspricht, sodass der Weg über das Internet nicht nötig ist", sagt der Sozialarbeiter.

Besonders unter Obdachlosen und Menschen, die am Existenzminimum leben, sei das Sammeln von Pfandflaschen in Hamburg mittlerweile weit verbreitet. "In einigen Stadtteilen sind die Straßen sogar in Reviere aufgeteilt, damit sie sich nicht in die Quere kommen." Viele Menschen bestritten sogar ihren kompletten Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Pfandflaschen. "Deshalb ist es eine tolle Idee, die die Studenten umgesetzt haben", sagt Karrenbauer. "Immer mehr Bedürftige werden aus ihren Revieren verscheucht. Jetzt haben sie eine echte Alternative."