Der Pädagogik-Experte Heinfried Habeck über die Anforderungen an eine gelungene Ganztagsschule

Hamburg. Die Unsicherheit bei Hamburgs Eltern ist groß. Vielen geht die Umstellung auf ganztägige Bildung und Betreuung an den Grundschulen zu schnell. Sie haben Bedenken, ob ihre Kinder an einer Ganztagsgrundschule gut aufgehoben sind. Das Abendblatt sprach darüber mit Heinfried Habeck, Diplom-Pädagoge am Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund.

Hamburger Abendblatt:

Was halten Sie von Ganztagsgrundschulen?

Heinfried Habeck:

Ich halte sehr viel davon. Gerade in großen Städten, wie bei uns im Ruhrgebiet oder bei Ihnen in Hamburg, können bestimmte Schüler so besser erreicht werden, gerade Kinder aus unteren Bildungsschichten erfahren dadurch mehr Chancengerechtigkeit. Die Schere zwischen den sozialen Schichten klafft immer mehr auseinander. Die Ganztagsschule bringt diese Schere wieder zusammen. Und für Familien, in denen die Eltern berufstätig sind, machen Ganztagsschulen auch Sinn.

Die Unterstützung für die Einführung von Ganztagsgrundschulen ist in Hamburg ja vorhanden, doch den Kritikern geht die Umsetzung zu schnell.

Habeck:

Je mehr Informationen die Eltern bekommen, je mehr Transparenz vorhanden ist und je länger die Vorlaufzeit, desto besser. Veränderungen dieser Größe brauchen Zeit. Man muss eine solche Reform ja nicht gleich flächendeckend einführen, sondern zunächst nur einzelne Inseln, die dann miteinander vernetzt werden.

Welche der Ganztagsschulen-Formen halten Sie für am sinnvollsten?

Habeck:

Ganz klar die gebundene und die teilgebundene Form mit einer Rhythmisierung, mit Lern-, Entspannungs- und Spielphasen. Diese Rhythmisierung ist ganz wichtig, weil sie den Kindern ein Muster und feste Strukturen bietet. Dadurch erfahren die Kinder Verlässlichkeit, das ist prägend für das ganze Leben.

Hält ein Erstklässler einen Acht-Stunden-Schultag überhaupt aus?

Habeck:

Durchaus, wenn die Entlastungsphasen vernünftig eingeplant sind. Kinder müssen sich zurückziehen können. Diese Phase sollte zu einem festen Zeitpunkt stattfinden, aber nicht verplant sein. In England gehen sogar schon Fünfjährige in Ganztagsschulen, die können damit prima umgehen.

An vielen Hamburger Schulen gibt es Raumprobleme. Aber gehören gut ausgestattete Räume nicht auch zu einer guten Schule?

Habeck:

Die Klassenräume müssen umgestaltet werden, Kuschelecken gehören dazu. Außerdem brauchen Schulen einen ordentlichen Musikraum und eine Mensa.

Eltern von Schulanfängern stehen vor der Wahl: Melde ich mein Kind an einer Schule an, die die Reform gerade umsetzt und sich noch im Umbruch befindet, bei der noch nicht alles perfekt läuft, oder nehme ich lieber eine Schule, die diesen Umbruch vollzieht, wenn das Kind schon ein, zwei Jahre in diese Schule geht?

Habeck:

Eltern sollten gelassen sein. Es ist für das Kind einfacher, mit der Ganztagsgrundschule zu beginnen. Dann braucht es das nicht mehr zu lernen.