Die jüngste Herabstufung von Euro-Ländern ist nicht ernst zu nehmen. Denn die Bonitätsprüfer sind interessengesteuerte Unternehmen

"Was sollen wir uns darum kümmern, was eine korrupte Bande von Idioten denkt?", fragt der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in Bezug auf die Arbeit der Rating-Agenturen. Deftige Worte, aber im Kern liegt er richtig: Die Analysequalität der Bonitätswächter ist jämmerlich, ihre Vorschläge sind nutzlos, ihre selbstgerechte Benotung von Risiken eines Kreditausfalls ist alles andere als unabhängig. Deshalb sollte man die letzte Woche durch Standard & Poor's (S&P) erfolgte Herabstufung von neun Ländern der Euro-Zone, darunter Frankreich, Österreich, Spanien und Italien, nicht beachten.

Wie schlecht die Analysequalität ausfällt, lässt sich vielfach belegen. Der US-Energiekonzern Enron oder die Bank Lehman wurden bis kurz vor deren Bankrott als sicheres Investment eingestuft. Amerikanischen Ramschpapieren wurde viel zu lange ein Gütesiegel verliehen, was zu einer entscheidenden Ursache des Hypotheken-Crashs wurde. Die europäische Staatsschuldenkrise wurde erst zum Thema, als es lichterloh brannte.

Schlimmer noch: Rating-Agenturen haben mit viel zu guten Bewertungen geholfen, südeuropäisches Gammelfleisch zum Verkaufsschlager zu machen. Wieso haben sie griechische Anleihen nicht von Beginn an, also ab 2001, als Ramsch beurteilt?

Besonders störend ist, dass Methoden, Gewichtungsfaktoren und Wahrscheinlichkeiten, die der Benotung zugrunde liegen, als Betriebsgeheimnis gehütet werden. Wie sehr die Rating-Agenturen selber ihre Arbeit für Hokuspokus halten, lässt sich daran erkennen, dass sie ihre Ergebnisse nicht etwa als "Empfehlung" bezeichnen. Aus Haftungsgründen sprechen sie lediglich von "Meinungen". Das sollten sie auch bleiben: Äußerungen interessengeleiteter Firmen, auf die hören mag, wer will.

Diese "Meinungen" sind für Insider nutzlos. Wer auf den Finanzmärkten aktiv ist, muss sich selber sein Urteil bilden. Und da haben die Bonitätswächter wirklich keine Neuigkeiten verraten. Dass viele Euro-Länder überschuldet sind, dürfte zum Standardwissen von Gymnasiasten gehören. Und dass es ein Risiko ist, überschuldeten Staaten oder Firmen Geld zu leihen, findet sich in jedem Abc für Finanzgeschäfte. Rating-Agenturen geben nicht vorausschauend die Richtung vor. Sie folgen der Herde. Dass selbst Investoren, Bankanalysten und Börsianer von den Urteilen nicht mehr viel halten, wird immer offensichtlicher. Denn die Änderung der Benotung führt schon lange nicht mehr zu einer Änderung der Finanzierungskosten der Betroffenen. So folgt aus der aktuellen Herabstufung der Euro-Länder nicht (mehr), dass damit deren Zinsen für Staatsanleihen teurer werden. So ist es kein Wunder, dass die Finanzmärkte derzeit unbeeindruckt von den Meinungen der Ratingagenturen bleiben.

Natürlich wäre es absurd, die Rating-Agenturen für die überbordende Staatsverschuldung verantwortlich zu machen. Sie haben die Euro-Krise verschärft, nicht verursacht. Das ändert aber nichts daran, dass die Bonitätswächter die Euro-Staaten zu getriebenen Marionetten des Finanztheaters machen. Das kann sich die Politik nicht bieten lassen. Sie muss es auch nicht. Denn die Interessen der Rating-Agenturen sind nicht die Interessen einer demokratisch legitimierten Institution. Die Bonitätsprüfer sind alles andere als unabhängige, neutrale Schiedsrichter.

Rating-Agenturen sind privatrechtliche Unternehmen, deren oberstes Ziel es ist, Gewinne zu maximieren und die Aktionäre zufriedenzustellen. S&P ist die Tochterfirma des amerikanischen Medienunternehmens McGraw-Hill, dessen größter Aktionär die Investmentfirma Capital World Investors ist. Bei Moody's ist neben Capital World Investors der Finanzmogul Warren Buffett einer der wichtigsten Aktionäre, der wiederum bei Goldman Sachs involviert ist. Und Fitch Ratings gehört dem französischen Finanzkonzern Fimalac, der auch Besitzer einer Glücksspielkette ist, das grenzt fast an die Inkarnation des Kasinokapitalismus.

Ein Argument lautet, dass Rating-Agenturen immerhin versuchten, der Realität entsprechende Urteile zu fällen, weil sie bei Fehlbewertungen ihre Reputation und ihre Existenzberechtigung verlören. Das mag ja im theoretischen Lehrbuch so sein. In der Praxis aber fragt man sich, wer denn überhaupt noch an die Qualität und Treffsicherheit der Bonitätswächter glaubt. Kann man stärker daneben liegen als die Rating-Agenturen?