Barmbeker Konditorin backt Leberwurstkekse für Hunde und Menschen. Angebote großer Hersteller, ihr Geheimrezept zu kaufen, lehnt sie ab.

Hamburg. Ihr bester Kunde ist ein König. Er hat ein wenig Übergewicht. Und bisweilen gehen ihm die Augen über. Dann nämlich, wenn Rose-Marie Patzer-Weber den 60 Jahre alten Backofen einheizt, in der alten Rührmaschine Mürbeteig ansetzt und mit scharfem Messer die gute Landleberwurst aus der Lüneburger Heide aufschneidet.

Der König hat eine gute Nase. Er zieht das Gesicht in Falten, wenn der Duft aus der Backstube aufsteigt. Und wenn das heiße Blech mit den herben Leberwurstkeksen herausgezogen wird, wedelt er bisweilen mit dem Hinterteil. König ist ein Feinschmecker. Und der Mops hat Glück, dass sein Frauchen eine im doppelten Sinne des Wortes ausgezeichnete Konditorin ist.

Rose-Marie Patzer-Weber liebt Tiere. Und sie liebt ihr Handwerk. Seit 51 Jahren steht die 74-Jährige in der Backstube der 1934 gegründeten Konditorei Weber an der Hellbrookstraße (Barmbek-Nord). Eigentlich wollte sie Tierärztin werden. Doch es kam anders. Sie wurde Konditorin. Inzwischen hat sie ihre Tierliebe und das Backhandwerk miteinander vereint.

In einer Ecke des Ladens liegen in großen Tüten verpackt Leberwurstkekse, -knackbrötli, -stängli und -zwieback, alles ohne Zucker gebacken und mit dem Etikett "Hunde-Glück" versehen. Jede 100-Gramm-Tüte kostet drei Euro. "Die Kekse schmecken den Hunden genauso wie uns Menschen", sagt sie und beißt in eine der herzhaften Leberwurstbrezeln.

Größtes Leckerli aber ist die Leberwursttorte, die es nur hier und nur dann gibt, wenn der Hund Geburtstag hat. Dieser muss dann allerdings persönlich vorbeikommen. Die Schichttorte mit Marzipanverzierung - selbstverständlich zucker- und salzfrei - bekommt der Vierbeiner dann gratis serviert. "Wer ohne Hund kommt, muss pro Torte 100 Euro zahlen", sagt Rose-Marie Patzer-Weber. Denn mehrfach hat sie erleben müssen, dass ihre Torten zwar gern umsonst mitgenommen, anschließend aber noch anderweitig weiterverkauft wurden.

Das große Geschäft - es interessiert die kleine zähe Frau nicht. Auch deshalb verzichtet sie auf den Verkauf über das Internet, bietet ihre Ware ausschließlich in ihrem Laden und in den Hundeboutiquen von Koko von Knebel an. Die Konditorin, die 1964 als eine der ersten Frauen ihre Meisterprüfung ablegte, gewann etliche Preise. Ein lukratives Angebot der großen Futterhäuser für ihr geheimes Leberwurstkeks-Rezept lehnte sie kurzerhand ab. Sie möchte lieber das, was sie macht, direkt an ihre Kunden weitergeben. Sehen, wie sich die Kinder freuen, die nachmittags in ihren Laden kommen, in dem es neben den Leberwurstkeksen nämlich auch jede Menge süßer Sachen gibt. Vor allem Baisers in allen Farben und Geschmacksrichtungen. In glitzernden Tüten verpackt stehen die kleinen Berge aus Eiweiß und Zucker in den weißen Regalen. Sie schmecken nach Chili und Knoblauch, Grappa, Honig, Ketchup und Kakao, Lakritz, Marzipan, Champagner, Rotwein und Rosmarin. 123 verschiedene Sorten hat die Chefin im Laufe der Jahre entwickelt. Daneben gibt es Torten, Kekse, Brot und Brötchen.

An den Wochenenden läuft das Geschäft gut, aber in der Woche wird es immer schwieriger. "Die Laufkundschaft bleibt weg", sagt Rose-Marie Patzer-Weber. Und es gebe zu viele andere, billigere Bäcker. "Die Leute haben kein Geld mehr - oder wollen es nicht für gutes Gebäck ausgeben."

Weitermachen will sie dennoch, weil sie gar nicht kann ohne ihren Beruf. Und weil es sie noch gibt, die Kunden, die ganz gezielt auch von weiter weg kommen, um bei ihr einzukaufen. Denn hier gibt es neben all den Köstlichkeiten immer auch ein aufmunterndes Gespräch und einen persönlichen Händedruck. Für viele ist der Weg in die alteingesessene Konditorei zu einem süßen Ritual geworden ist. So wie für Jürgen-Peter Filges, der regelmäßig aus Wellingsbüttel nach Barmbek-Nord kommt, Baisers für die fünf Enkeltöchter mitnimmt und ein Leberwurstknackbrötli für Irish-Setter-Dame Emba. Oder Hinnerk Bübers, der mit Töchterchen Valentina-Maria jeden Sonnabendvormittag in das kleine Geschäft spaziert, um genau einen Zuckerstreuselkeks zu kaufen. Für die Kleine gibt es dann außerdem gratis ein "Hamburger Küsschen" in Form eines rosafarbenen Baisers. Dass bei diesen Besuchen der finanzielle Gewinn gleich null ist, interessiert die Konditorin nicht. Weil sie weiß, dass die Freude, die sie damit bereiten kann, unbezahlbar ist.

Solange genug übrig bleibt für ihre fünf Mitarbeiter und die beiden Hunde König und Tobi, will sie weitermachen. "Kaviar ist nicht mein Ding", sagt sie. "Ich esse lieber Hering." Und ihr Großvater habe immer gesagt: "Reichtum ist nichts. Charakter ist alles."

Wie prinzipientreu Rose-Marie Patzer-Weber tatsächlich ist, hat sie einen Kunden vor ein paar Jahren spüren lassen. Er wollte unbedingt zu Silvester 15 Berliner mit Senf haben. "Ich verkaufe ihnen das nicht, weil ich keine Lebensmittel herstelle, die nur dazu da sind, im Müll zu landen", ließ sie den Herrn wissen. Dieser Kunde bot ihr daraufhin 100 Euro pro Berliner an. Sie lehnte ab und schickte den Kunden weg.

Eine halbe Stunde später rief ein Kollege aus der Nachbarschaft an. Er hatte dem Kunden den Wunsch nach Senf-Berlinern prompt erfüllt und an diesem Tag das Geschäft seines Lebens gemacht. Rosemarie Patzer-Weber lächelt still. Dann sagt sie. "Der Kollege ist inzwischen pleite."