Amtsgericht: Nikolaj Graf von W. ist verantwortlich für den tödlichen Wasserflugzeug-Unfall im Hafen

Neustadt. Alles ist wieder hochgekommen. Die Trauer und die Frage nach dem Warum. Der Bruder, die Schwester und die Mutter des bei dem tragischen Wasserflugzeug-Absturz im Hafen tödlich verunglückten Gunter M. ( 57) lassen keinen Zweifel, dass sie sich den Auftritt als Nebenkläger gern erspart hätten. Zunächst hätten sie noch Mitleid für Unglückspilot Nikolaj Graf von W. empfunden. Doch davon sei nichts mehr übrig, weil der 44-Jährige nicht willens gewesen sei, seinen fatalen Fehler einzuräumen. Sie wolle nur Gerechtigkeit, sagt Jutta K., 54, diese sei sie ihrem toten Bruder und dessen Frau schuldig. "Wenn man einen Fehler gemacht hat", sagt sie vor Gericht zum Angeklagten, "dann steht man auch dazu."

Dass er einen Fehler gemacht hat, hat Graf von W. nun amtlich: Gestern hat ihn das Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt. "Der Unfall hätte verhindert werden können, hätten Sie das erforderliche Maß an Sorgfalt an den Tag gelegt", sagte der Richter, zumal von W. als Pilot eine besondere Verantwortung trage. Er gehe aber von einem "nachvollziehbaren menschlichen Versagen" aus.

Am 22. August 2009 war Nikolaj Graf von W. mit Gunter M. und dessen Frau Cornelia, 52, zu einem Rundflug über dem Hafen gestartet. Der Pilot galt mit 7141 Flugstunden als versiert, hatte aber nur 34 Stunden im Wasserflieger absolviert, er flog erst seit einer Woche unbeaufsichtigt. Nach einem Tankstopp am Flughafen Fuhlsbüttel stieg die Cessna wieder auf - nach Überzeugung des Gerichts hatte der Pilot da vergessen, das Fahrwerk einzufahren. Bei der Landung im Baakenhafen sieben Minuten darauf wirkten die Räder wie Bremsklötze, die Maschine überschlug sich, landete kopfüber im Wasser, lief in 23 Sekunden voll. Pilot von W. konnte sich retten, seine Versuche, die beiden in der Kabine gefangenen Passagiere zu befreien, waren indes vergebens - das Ehepaar aus Ganderkesee ertrank. Polizisten gestand er: "Mist, ich habe vergessen, das Fahrwerk einzufahren."

Doch das hatte der Angeklagte vor Gericht bestritten. Die durch die Kontrollleuchten angezeigte Position des Fahrwerks habe er als "korrekt" wahrgenommen. Er konnte nur die blauen Leuchten meinen, denn Blau bedeutet "Räder drinnen", während die grünen anzeigen "Räder draußen". Selbst wenn das akustische Warnsystem nicht auslöste, das mechanische System beschädigt und die Checkliste mangelhaft war, so das Gericht, blieben noch die Leuchten. Dass die Blau zeigten, obgleich die Räder unten waren, sei technisch ausgeschlossen. Vielleicht habe der unerfahrene Wasserpilot die grünen Lichtzeichen im Flugstress fehlinterpretiert. Wenn durch einen Defekt keine Lampe geleuchtet hätte, hätte er sich durch einen Seitenblick vergewissern müssen, ob das Fahrwerk eingefahren war.

"Es tut mir leid", sagt Graf von W. zum Schluss. Seine Fluglizenz steht auf dem Spiel. Die Verteidigung, die von einem Ausfall aller Warnsysteme gesprochen und Freispruch gefordert hatte, kündigte an, Rechtsmittel einzulegen.