Junge Wissenschaftler brauchen bessere Perspektiven für eine Karriere in Deutschland

Deutschland verliert Talent. Deutschland verliert Intelligenz. Deutschland verliert Potenzial. Der englische Begriff "Brain Drain" steht für die vielfach gefällte Entscheidung junger Akademiker und Wissenschaftler, ins Ausland zu gehen. Bis zu 100 000 Deutsche sind es jedes Jahr. Sie werden angelockt durch höhere Gehälter, flachere Hierarchien, bessere Forschungsmöglichkeiten. Hunderte zieht es jetzt, etwa aus den USA, zwar wieder zurück in die Heimat, weil sich ihre Arbeitsbedingungen verschlechtert haben. Zurück treibt sie aber vorrangig der amerikanische Sparkurs - und nicht verlockende Forschungsanreize in Deutschland. Denn junge Wissenschaftler haben es nach wie vor schwer hierzulande.

Darüber sollte sich die Bundesregierung Sorgen machen. Sie wird mit Angela Merkel von einer Kanzlerin angeführt, die selbst Wissenschaftlerin war und den Wissenschaftsstandort Deutschland hervorhebt, wann immer sie kann. Auch ihre CDU-Parteifreundin, Forschungsministerin Annette Schavan, kann nicht glücklich über diesen Umstand sein. Denn Deutschland ist auf seinen wissenschaftlichen Nachwuchs angewiesen. Einmal, weil erst Wissenschaft und Forschung die Industrienation innovativ und damit wettbewerbsfähig machen. Aber auch, weil die Zahl der Studierenden stetig ansteigt und die der Professorenstellen dabei so gut wie stagniert. Überfüllte Hörsäle und mangelhafte Betreuung sind die Folge. Wer sich die Gründe junger Wissenschaftler für einen Fortzug aus Deutschland ansieht, ist möglicherweise erstaunt darüber, dass es bei Weitem nicht nur ums Geld geht. Es geht um Verlässlichkeit bei der Lebensplanung und, wie Untersuchungen belegen, sehr stark um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Realität dominieren im akademischen Mittelbau unterhalb der Professorenebene in Deutschland jedoch vor allem befristete Arbeitsverträge und zeitbezogene Projektarbeit.

Unsicher ist dabei stets, wie lange die Mittel für ein Forschungsvorhaben bereitgestellt werden und ob danach die Beschäftigung bei einem anderen Projekt klappt. Mehr als 70 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses sind deshalb kinderlos.

Der "Brain Drain" sollte Hochschulen und Politik zwingen, genau hier anzusetzen. Aber auch an einer anderen Stelle würde mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Vergeudung wertvollen Potenzials entgegengewirkt: Denn negative berufliche Konsequenzen des Kinderkriegens erleben in der Wissenschaft doppelt so viele Frauen wie Männer. Das schlägt sich an den Spitzenpositionen in den Unis nieder.

Während die Politik über eine Frauenquote in Dax-Konzernen streitet, ist auch die Lage in der Forschung desaströs. Nicht einmal ein Fünftel der Professorenstellen ist mit einer Frau besetzt. Und wie bei den Unternehmen in der freien Wirtschaft besteht auch im akademischen Betrieb nicht das Problem, dass es zu wenig Frauen gibt, die für die hohen Posten überhaupt qualifiziert sind. Im Gegenteil: Die Hälfte der Uni-Absolventen ist weiblich, unter den Doktoranden sind mehr als 40 Prozent Frauen. Doch der Professorenstuhl ist für viele denkbar unattraktiv: Etwa zwei Drittel der Professorinnen sind heute kinderlos - bei den Männern ist es ein Drittel.

Die Hochschulen, der Bund und die Länder müssen hier mehr als bisher Prioritäten setzen - auch wenn es angesichts knapper Kassen schwerfallen mag. Am Anfang muss Sicherheit für die Wissenschaftler geschaffen werden. Das ist nur durch feste Stellen zu erreichen, was auch im Interesse der Studenten ist. Flankiert durch eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitszeiten und politische Maßnahmen wie die Ausweitung der Elternzeit, kann dies ein wichtiger Schritt sein, um die Vergeudung von Talent zu stoppen.