Auch wer im Wettbewerb weniger stark abschneidet, kann anschließend Unterstützung bekommen auf dem Weg zu mehr Qualität

"Protest gegen Test" - mit diesem Schlagwort überschrieben vor gut zehn Jahren die Totalverweigerer jedes Schul- und Schülerleistungstests ihre Kampagne gegen die erste PISA-Untersuchung.

Die Neinsager aus dem Umfeld der Hamburger GEW waren damit in ihren Milieus recht erfolgreich: 61 Prozent der Gesamtschulen nahmen nicht am Vergleichstest PISA 1 teil, sogar unter den Gymnasien an der Elbe verweigerten sich noch 19 Prozent. Der damalige rot-grüne Senat sah tatenlos zu. Hamburger Ergebnisse blieben unvergleichbar, die Dagegenhaltung setzte sich nur hier und in Bremen sowie Berlin ansatzweise durch.

Ein gutes Dezennium später mutet diese Verweigerungshaltung zumindest in der Bildungspolitik wie ein Stück aus einem vergangenen Jahrhundert an: Längst hat sich partei- und milieuübergreifend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Leistungsvergleiche ihr Gutes haben. PISA und andere Leistungsuntersuchungen (von LAU bis TIMSS) gehören - bei aller Detailkritik - zum Standardrepertoire der schulpolitischen Analyse und Debatte.

Nur Außenseiter leugnen heute noch, dass Deutschlands Bildungssystem vom Aufbruch nach PISA profitiert hat: Die Kultusminister einigten sich auf gemeinsame Standards für viele Fächer und Jahrgangsstufen. Die orientieren sich an den Profilen der deutschen PISA-Spitzenländer Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen.

Manche Bundesländer arbeiten in zentraler geregelten Abiturprüfungen zusammen. Und wir Hamburger haben seit 2006 eine Schulinspektion, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Standards die Qualität der Arbeit von rund 400 staatlichen Schulen untersucht.

Deren Ergebnisse sollen auf Initiative der FDP nun nicht mehr nur der jeweiligen Schulöffentlichkeit zugänglich sein: Die heute wieder regierende SPD hat sich in der Bürgerschaft grundsätzlich für unseren Antrag ausgesprochen, dass auch Eltern, die ihre Kinder erst auf einer Schule anmelden wollen, die Schulinspektionsergebnisse einsehen können. Über das Ausmaß einer Veröffentlichung im Internet diskutieren wir noch mit der Schulbehörde, akzeptiert aber ist die Erkenntnis: Leistungsvergleich und Wettbewerb stützen nicht nur die stärkeren Schulen, sondern stimulieren auch die weniger starken zu Aufbruch und Inanspruchnahme von Hilfe, um sich auf den Weg zu mehr zu Qualität zu machen. Transparenz hilft, Verstecken von Mängeln nicht.

Der Weg weg von der Dagegenhaltung hin zur Akzeptanz freiheitlicher Ideen war lang, gerade auch für Sozialdemokraten, die einem leistungsfreundlicheren Milieu fernstehen. Spätestens seit dem Stopp der schwarz-grünen Einstiegspläne in die Einheitsschule durch eine bürgerliche Volksbewegung 2010 und dem daraus resultierenden Machtwechsel im letzten Februar scheint jedoch auch der Mehrheit in der Hamburger SPD klar zu sein: Es führt kein Weg zurück zur Wagenburg-Mentalität der Bildungspolitik aus 80er- und 90er-Jahren.

Im Gegenteil, der Weg unserer Tage führt weiter in Richtung Freiheit und Transparenz: zum Beispiel hin zu mehr Durchlässigkeit zwischen den weiterführenden Schultypen in Hamburg. Warum sollen Schüler, deren Leistungsprofile sich natürlich weiterentwickeln, nach der sechsten Klasse zwischen Stadtteilschule und Gymnasium grundsätzlich nicht mehr wechseln dürfen? Es gibt kein wirklich vernünftiges Argument dagegen, nur das im Grunde erzreaktionäre "Das schafft Unruhe" - ja, stimmt, so ist das, wenn Freiheit gelebt wird.

Und was spricht gegen das Zulassen von Schulleistungsvergleichen? Warum dürfen die Ergebnisse von Lerninstituten, natürlich unter Berücksichtigung regionaler und soziodemografischer Unterschiede, nicht öffentlich gemessen werden?

In den Beneluxländern, Großbritannien und Teilen Skandinaviens geht das sehr wohl, zwischen deutschen Universitäten längst auch. Und zwar ohne die Folge, dass bei schwächer gelisteten Lernstätten schlagartig der Nachwuchs ausbleibt und später umliegende Quartiere zur Bronx mutieren. Das hat sich längst als Ammenmärchen erwiesen, immer noch erzählt von den letzten Totalverweigerern des freiheitlichen Aufbruchs in der Bildung.