Neustadt. Es ist eine Spirale des Scheiterns. Immer weiter ging es bergab. Immer gravierender wurden die Straftaten, die Sirbu D. begangen hat, immer länger die Dauer, die er in Haft gesessen hat, immer kürzer waren die Episoden, die der 35-Jährige in Freiheit verbracht hat - zuletzt gerade mal vier Tage. Ein Mann in finanziellen Nöten, ohne großartige Perspektive, einer, der an die falschen Bekannten gerät, leicht verführbar. Und schließlich jemand, der regelmäßig in seinem Leben die falschen Entscheidungen trifft.

So auch diesmal. Als er mitzog, um andere Menschen um ihr Geld zu bringen. Menschen, die am Geldautomaten abheben wollten, aber trotzdem letztlich mit leeren Händen dastanden, betrogen und bestohlen. Der Automat war manipuliert, am Ausgabeschlitz mit einer unauffälligen Blende versehen, sodass der Geldschacht verschlossen war und die Scheine trotz ordnungsgemäß eingetippter PIN-Nummer für die Kunden nicht erreichbar waren.

Wegen dieser Tat vom 11. September vergangenen Jahres musste Sirbu D. sich jetzt vor dem Amtsgericht verantworten. Als Häuflein Elend saß er da, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern, das Gesicht blass, in den Augen Resignation. Der Traum vom geregelten Leben, vom halbwegs passablen Job in einer anderen Stadt, es waren Illusionen, die kaum zu einem Plan heranreifen konnten, als sie schon wieder wegen einer falschen Entscheidung zerplatzten. Jetzt im Prozess entschloss er sich, reinen Tisch zu machen.

Er sei von einem Mann, den er kurz nach seiner Haftentlassung kennengelernt hatte, angesprochen worden, ob er sich nicht Geld verdienen wolle, erzählte der Angeklagte. Der Mann habe ihn aufgefordert, ihn zu einem Geldautomaten zu begleiten und die Banknoten herausziehen. "Ich ahnte, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht, war aber knapp bei Kasse." Deshalb habe er sich entschlossen, mitzumachen. Er habe ein Messer zwischen eine zuvor angebrachte Schiene und den Automaten schieben und die Schiene dann abziehen sollen.

Ein Pärchen sei dabei gewesen und habe anschließend das ergaunerte Geld in Empfang genommen. Einer der Mittäter habe zudem erzählt, dass sie "das schon mal gemacht" hätten. Eigentlich habe er sich an der Tat ja gar nicht beteiligen wollen, ergänzte der gelernte Maler entschuldigend. "Das wäre auch besser gewesen", entgegnete die Amtsrichterin. Insgesamt zwei Jahre lang sei er nun mit kurzen Unterbrechungen wegen mehrerer Straftaten in Haft gewesen. "Lernt man denn daraus gar nichts?" Der Angeklagte zuckte die Schultern - und schwieg.

Auch die Verkündung des Urteils verfolgte er ohne besondere Regung. Ein Jahr und zwei Monate Haft wegen gemeinschaftlichen Diebstahls verhängte die Amtsrichterin gegen den 35-Jährigen. Die früheren Strafen habe er wegen Ladendiebstählen bekommen, mit zum Teil geringer Beute. "Aber dies hier war ein hochprofessionelles Vorgehen." Immer wieder würden neue Mitglieder von einer Bande rekrutiert. Und er habe sich keine 100 Stunden nach seiner Entlassung aus der Haft anwerben lassen. "Das geht gar nicht."

Die Standpauke zeigte ganz offensichtlich Wirkung. Denn Sirbu D. entschloss sich, das Urteil zu akzeptieren - und zu handeln, indem er gegen seine drei mutmaßlichen Komplizen als Zeuge aussagt, die in einem gesonderten Verfahren vor Gericht stehen. Exakt zwei Wochen später ist er also wieder in einem Prozess, in demselben Gerichtssaal wie zuvor. Sein Weg zum Zeugenstuhl gleicht diesmal einem Spießrutenlauf, die Blicke der beiden wegen gemeinschaftlichen Diebstahls angeklagten Männer und deren mutmaßlicher Komplizin scheinen sich in seinen Rücken zu bohren.

Doch Sirbu D. lässt sich nicht beirren. Der 35-Jährige spult seine Aussage herunter, erzählt erneut von der Manipulation des Geldautomaten und seinem Part an der ausgetüftelten Tat. Wenn die anderen behaupteten, er sei der Haupttäter gewesen und sie nur "aus Neugier mitgegangen", dann sei das falsch, wehrt er ab. "Ich sage die Wahrheit." Bestätigt wird seine Aussage von Polizeibeamten, die seinerzeit das Quartett bei der Tat beobachteten und festnahmen. "Zwei Männer machten sich an dem Automaten zu schaffen", erinnert sich einer der Zeugen. Ein Pärchen habe in der Nähe gestanden und sich sichernd nach allen Seiten umgesehen. Bei der Festnahme der Verdächtigen stellten die Beamten eine Metallfeile, Sekundenkleber und Klebeband sicher. Die Frau habe noch versucht, zwei Blenden wegzuwerfen.

Das reicht für eine Verurteilung. Auch die Angeklagten Radintu G., 41, Iulian L., 33, und Mihaela L., 34, sind bereits vorbestraft. Wegen ihrer Beteiligung an dem Diebstahl aus dem Geldautomaten erhalten sie jetzt Freiheitsstrafen zwischen zehn und 15 Monaten - alle ohne Bewährung. Von einer "erheblichen kriminellen Energie und einer Professionalität bei der Tat" spricht die Richterin in der Urteilsbegründung.