Der Bezirksamtsleiter von Wandsbek, Thomas Ritzenhoff, spricht über neue Szenestadtteile. Bis 2030 wird in Wandsbek einiges passieren.

Wandsbek. Der Bezirk Wandsbek im Jahr 2030. Was wird sich verändert haben? In der Abendblatt-Serie schreibt heute der sozialdemokratische Bezirksamtsleiter.

"Es kann passieren, was will: Es gibt immer einen, der es kommen sah" (Fernandel) - oder: Wandsbek 2030. Bis 2030 wird in Wandsbek und der Welt einiges passieren - nur eines ist schon sicher: Der Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung wird genauso im Ruhestand weilen wie ich. Wir werden dann auf einen Bezirk blicken, der mit der Stadt gewachsen ist. Aus 411.000 Menschen, die heute in Wandsbek leben, sind in 20 Jahren 445.000 geworden. Das ist gut, denn nur dort, wo Menschen leben und der Staat Steuern einnimmt, können attraktive Schulen, ein guter öffentlicher Nahverkehr und eine bürgernahe Verwaltung angeboten werden.

Einige Entwicklungen werden im Rückblick besonders wichtig sein: das neue Quartier Jenfelder Au, die Szene in Eilbek, eine kleine Bildungsrevolution in Steilshoop und zwei ganz besonders markante Türme.

Etwas mehr als 2000 Menschen wohnen 2030 auf der Jenfelder Au. Das Quartier hat während seiner Entstehung viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen - mit einem neuen Konzept zur Abwasserentsorgung und Energieversorgung hat es mehrere Preise gewonnen und wird in ganz Deutschland nachgeahmt. Die Menschen leben gern dort und sind besonders froh über die Gärten hinter ihren Stadthäusern. Die Jenfelder Au ist ein neuer Mittelpunkt des Stadtteils geworden. Die ersten Kinder, die hier aufgewachsen sind, sind mittlerweile junge Erwachsene. Wie viele andere in ihrem Alter zieht es sie in die Stadtteile rund um die Innenstadt. Die Wege zur Arbeit, zur Uni, zur Kneipe und zum Kiez sollen kurz sein. Die erste Studenten- oder Azubi-Wohnung suchen sie aber 2030 nicht mehr nur in Eimsbüttel oder im Schanzenviertel, mindestens ebenso beliebt ist die Wohngemeinschaft in Eilbek.

Wie konnte es dazu kommen? Die Mieten in den Szenestadtteilen sind bis 2030 weiter rasant gestiegen. Junge Menschen konnten sie nicht mehr bezahlen. Viele merkten, dass es von der Ritterstraße nicht weiter in die Innenstadt ist als vom Schulterblatt oder von der Osterstraße. 2030 ist Eilbek deshalb bei Studenten, Menschen aus den Kreativbranchen und jungen Familien beliebt, die sich (noch) kein Reihenhäuschen mit Garten vorstellen können. Rund um die Wandsbeker Chaussee und am Ufer des Eilbekkanals mit seinen Wohnbooten schieben junge Väter nun Kinderwagen, der Asia-Imbiss existiert neben der Kaffeebar.

Selbst alteingesessene Eilbeker sind zufrieden mit den neuen Nachbarn und dem veränderten Gesicht ihres Stadtteils. Denn sie genießen besonderen Schutz. Eine soziale Erhaltungsverordnung und neue öffentlich geförderte Wohnungen sorgen dafür, dass Eilbek bezahlbar bleibt. Niemand musste gegen seinen Willen wegziehen. Viele der Rotklinkerhäuser aus den 1950er-Jahren haben zusätzliche Stockwerke erhalten, Dachgeschosse wurden ausgebaut. Einige Baulücken wurden mit bis zu achtgeschossigen Häusern geschlossen, deren Bewohner aus den oberen Etagen im Westen auf die Außenalster schauen können und im Osten auf das 2019 fertiggestellte "Wandsbeker Tor".

Dort, wo bis 1937 Wandsbek und Hamburg aufeinandertrafen, ist das lange geplante Wahrzeichen des Bezirkszentrums dann doch noch entstanden. Die beiden 15-geschossigen Wohn- und Bürotürme am Bahnhof Wandsbeker Chaussee sind von Weitem sichtbar und markieren zusammen mit der Christuskirche das Wandsbeker Zentrum. Wenige Meter weiter, zwischen Wandsbeker Marktstraße und dem Mühlenteich, ist das Brauhausviertel aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Ein Viertel ist entstanden, das Wohnen und Arbeiten unmittelbar miteinander vereint. Trotz zahlreicher Neubauten und einer neuen Gehwegachse zwischen Marktstraße und Mühlenteich haben im Brauhausviertel auch weiterhin viele kleine Gewerbebetriebe ihre Heimat. Sie profitieren davon, mittendrin zu sein. Das gilt auch für die Bewohner, die es genießen, mitten im quirligen Bezirkszentrum und trotzdem nah am renaturierten Wandselauf zu wohnen. Die Wandse 2030 ist dann ein vielfältiger Lebensraum, den Fische und Kleinlebewesen durchgängig passieren können - der Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie sei Dank.

Mit Steilshoop und Bramfeld haben auch zwei andere große Wandsbeker Stadtteile wieder Hoffnung, etwas mehr "mittendrin" zu sein: 2025 entscheidet der Senat, die Planungen für eine Stadtbahn-Anbindung wieder aufzunehmen. Der Baubeginn der Stadtbahnstrecke steht kurz bevor, und dieses Mal sind sich alle Beteiligten einig.

Steilshoop ist längst ein echter Hoffnungsträger. Die Öffentlichkeit schaut 2030 wegen des hervorragenden Bildungsangebots auf den Stadtteil. Die Steilshooper Stadtteilschule gewinnt zum zweiten Mal den Deutschen Schulpreis und bedauert, dass sie aus Kapazitätsgründen seit Langem nur noch Steilshooper Kinder aufnehmen kann.

Auch in den anderen Teilen des Bezirks spielt die Verkehrsanbindung 2030 eine wichtige Rolle. In Rahlstedt feiert die S 4 ihr zehnjähriges Bestehen. Mit der neuen S-Bahn-Linie sind die Fahrgastzahlen auf der Strecke durch den Bezirk erheblich gestiegen, die Hauptverkehrsstraßen in Richtung Innenstadt wurden spürbar entlastet. Rahlstedt hat als größter Hamburger Stadtteil eine würdige Anbindung an die Innenstadt erhalten. Der Betrieb der S 4 hat im Stadtteil zu Überlegungen geführt, ob im Bereich Höltigbaum eine zusätzliche S-Bahn-Station eingerichtet werden sollte. Darüber würden sich nicht nur Ausflügler freuen, deren Ziel das Naturschutzgebiet ist - die neue Bahnstation würde auch die Möglichkeit eröffnen, im Bereich der B 75 eine ökologische und autofreie Wohnsiedlung zu errichten. Ein Thema, das in Rahlstedt kontrovers diskutiert wird.

Die Befürworter verweisen auf die ökologischen Wohnviertel, die vor allem im Norden des Bezirks entstanden sind. In den Walddörfern haben die Bewohner früh angefangen, sich selbst zu überlegen, wie sie ihre groß gewordenen "Dörfer" weiterentwickeln wollen. Ihr Fazit: Ein überschaubares Wachstum wird langfristig guttun. Noch sind bestimmte Wohnformen - etwa für Paare, deren Kinder längst ausgezogen sind, für Senioren oder für Alleinerziehende - viel zu wenig vorhanden. In Form von Baugemeinschaften und kleinen Genossenschaften haben die Menschen in den Walddörfern ihre Vorstellungen gemeinsam mit Politik und Verwaltung umgesetzt. Ökologische und generationenübergreifende Wohnprojekte sind im Norden Wandsbeks nun alltäglich - kein Wunder, denn sie passen gut in die immer noch erkennbaren dörflichen Strukturen und werden dem Anspruch der "Walddörfler" gerecht, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Das Wandsbek, das ich mir vorstelle, ist 2030 also vor allem größer geworden. Es ist wie heute ein Bezirk, in dem Familien im Grünen und doch stadtnah wohnen und arbeiten werden. Eilbek lockt auch das Szenepublikum. Das macht den Bezirk vielfältiger. Der Zuzug garantiert, dass die Infrastruktur im Bezirk gut genutzt wird und erhalten oder ausgebaut werden kann. Das gilt auch für die Verwaltung: Trotz neuer technischer Möglichkeiten, öffentliche Dienstleistungen auf elektronischem Wege abzurufen, gibt es weiterhin Mitarbeiter und Dienststellen vor Ort. Der direkte Kontakt mit den Bürgern in den Stadtteilen bleibt, denn während wir den Ruhestand genießen, werden unsere Nachfolger Wandsbek weiterentwickeln - im Dialog mit den Bewohnern.