In der Werkstatt Touch wird ehemals abhängigen Menschen der Wiedereinstieg in das Berufsleben erleichtert. Das Abendblatt erzählt die Drogengeschichte einer Gesellin

An der Tür zur Werkstatt Touch steht Stefanie Irgang (Name geändert). Begrüßt ihre Besucher mit einem festen Händedruck und freundlichen Worten. Etwas aufgeregt ist die 44-Jährige. Vor den nächsten Stunden hat sie Respekt. Denn so offen hat sie bisher noch nicht über ihre Vergangenheit gesprochen. Eine Vergangenheit, die sie lieber vergessen möchte. Deren Bilder und Erinnerungen sie nur ungern zurückholt.

Irgang war viele Jahre drogenabhängig. Hasch, Kokain, Alkohol und Medikamente. Nichts hat die junge Frau ausgelassen. An große Teile ihres Lebens kann sie sich nicht erinnern. Denn das bestand seit ihrer Jugend nur aus Rausch, Entzug, der Beschaffung neuer Drogen und Lügen. Lügen, damit Familie und Arbeitgeber nichts mitbekamen. Damit sie funktionierte, wie die Gesellschaft es von ihr erwartet. "Eigentlich bin ich froh, wenn ich nicht mehr über all das reden muss. Einfach nicht dran denken muss", sagt Stefanie Irgang. Doch dann, Stück für Stück, taut sie auf, lässt die schmerzliche Erinnerung zu. Und versucht zu erklären, was ihr selbst eigentlich bis heute unerklärlich ist.

Wie genau sie in diesen Sumpf aus Drogen, immer mehr Drogen gekommen ist, weiß Irgang heute nicht mehr. Das ging schleichend. Schleichend und ohne Vorwarnung. "Mit 12 Jahren habe ich angefangen zu kiffen", sagt sie. Freunde hätten sie animiert. Falsche Freunde, wie sie heute weiß. "Wahrscheinlich wollte ich auch gegen meine Eltern rebellieren." Schnell wurden die Drogen härter. Und schon mit 18 gehörte Kokain zu ihrem Leben wie für andere Jugendliche vielleicht ein Glas Bier oder Wein. "Das Einzige, was ich gerade noch geschafft habe, war das Abi", sagt sie. "Danach bin ich abgestürzt."

Von nun an bestimmte die Sucht ihr Leben. "Einige Jahre habe ich es noch geschafft, bei der Stadt Hannover zu arbeiten", so Irgang, die bis vor sechs Jahren in der niedersächsischen Hauptstadt wohnte. Später lebte sie dann von Hartz IV. Ihren Eltern gegenüber versuchte sie, die Sucht geheim zu halten. "Wie ich das geschafft habe, weiß nicht. Wahrscheinlich haben meine Eltern etwas bemerkt, es aber verdrängt."

Unzählige Entzugsversuche hat Stefanie Irgang hinter sich. "Ich kam da nicht raus." Immer wieder der gleiche Ablauf: Rein in die Entzugklinik, raus aus der Entzugsklinik. Zwischendurch Drogen, nur noch Drogen. Am Ende Methadon und Alkohol. "Zum Schluss bin ich kaum noch rausgegangen und habe vor mich hinvegetiert."

Zum vorerst letzten Absprung aus diesem Drogenleben wurde Stefanie Irgang dann mehr oder weniger gezwungen. "Es gab einfach keinen Spielraum mehr für mich", sagt sie. "Die Leber hat nicht mehr mitgespielt." Hepatitis. Die Ärzte hätten ihr gesagt: Wenn du so weitermachst, wirst du keine 40. "Ich stand mit dem Rücken zur Wand." Freiwillig ließ sich Irgang 2004 in eine Klinik einweisen. Der ganz feste Wille, das Leben zu ändern sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen. Dem Entzug folgte eine Therapie. Dann die Rückkehr ins richtige Leben. Doch das wollte Irgang nicht in Hannover weiterführen. "Ich musste alle Verbindungen zu meiner Vergangenheit kappen."

So landete sie schließlich in Hamburg. In einer Wohneinrichtung lebte die zierliche Frau hier mit anderen ehemaligen Drogenabhängigen zusammen. Immer unter der Kontrolle der Therapeuten. Ihr Ziel: eine Arbeitsstelle. Denn Stefanie Irgang wollte endlich wieder auf eigenen Beinen stehen. Nur was sie wollte, das wusste sie nicht.

Ein Praktikum bei der Therapieeinrichtung und Werkstatt Touch brachte die Wende. "Das war für mich eine Offenbarung. Plötzlich war mir klar, ich möchte Tischlerin werden." Irgang entdeckte eine neue Fähigkeit an sich: Durchsetzungsvermögen. Verbissen kämpfte sie um die Chance einer Umschulung. Zwei Jahre lang absolvierte sie ihre Tischlerlehre. Mit einem Einser-Gesellenbrief ist sie heute als Tischlerin in der Werkstatt angestellt. Beaufsichtigt ehemals suchtkranke Jugendliche, die den Weg von Irgang noch vor sich haben. Bis zum Ende 2010 läuft ihr Vertrag. "Ich hoffe, dass ich hier bleiben kann", sagt sie leise, aber bestimmt.

Irgang lebt heute mit ihrem Freund in einer eigenen Wohnung in Barmbek. Die Zeiten der absoluten Kontrolle sind vorbei. "Mein Freund hat mit dem gleichen Problem zu kämpfen gehabt. Also kontrollieren wir uns quasi gegenseitig." Dabei gibt es klare Regeln: "Alkohol oder andere Rauschmittel sind in unserer Wohnung absolut verboten. Auch für Besucher." Denn sie weiß, dass der Schatten ihrer Drogenvergangenheit sie nie wieder ganz loslassen wird. Deshalb diese strengen Regeln. Die junge Frau ist heute eigentlich rundum glücklich. "Ich bin ich clean. Und ich werde alles dafür tun, dass es auch so bleibt."