Klaus-Peter Schöppner leitet das Umfrageinstitut TNS Emnid.

Hamburger Abendblatt:

1. Herr Schöppner, hat Sie der Rückzug von Jürgen Rüttgers überrascht?

Klaus-Peter Schöppner:

Ja, denn Jürgen Rüttgers hat die CDU in Nordrhein-Westfalen lange Zeit dominiert. Zum Schluss musste man sich von ihm distanzieren, um politischen Schaden von der Partei fernzuhalten. Der Rückzug war Rüttgers' einzige Möglichkeit, das politische Heft in der Hand zu behalten.

Wenn die rot-grüne Minderheitsregierung schnell zerbrechen sollte, gäbe es für Rüttgers die Möglichkeit eines Comebacks. Aus demoskopischer Sicht ist Rüttgers eine gute Wahl, denn die Niederlage in NRW ist größtenteils der Politik der CDU im Bund geschuldet.

2. Wer kann Rüttgers ersetzen - in Nordrhein-Westfalen und im Bund?

Die Partei in NRW spricht eher den Mitte-links-Flügel der Unionswähler an und muss einen Kandidaten für diese Klientel finden. Der bisherige Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und der Integrationsminister Armin Laschet haben die besten Chancen, weil sie populär sind und für einen gemeinschaftlichen Politikstil stehen. Im Bund hat die Union mit Koch und wahrscheinlich mit Wulff bereits kompetente Politiker verloren und blutet personell aus. Da fehlen Köpfe vor allem im wirtschaftspolitischen Flügel.

3. Was bedeutet der Regierungsverlust in NRW für die CDU-Vorsitzende Merkel im Bund?

Sie könnte von dem Hin und Her der SPD profitieren, aber sie muss sich aus der Umklammerung der FDP befreien. Die SPD konnte sich bislang als Interessensvertreter der Deutschen präsentieren, während die CDU Milliarden für Griechenland und Banker zur Verfügung stellte. Das hat sich auf die Wahlen in NRW ausgewirkt. Je eher die CDU eine Kehrtwende weg vom wirtschaftsliberalen Kurs der FDP einleitet, desto besser für sie.

4. Gefährdet das Auseinanderbrechen von Schwarz-Gelb in NRW auch die Koalition in Berlin?

In diesem Jahr stehen keine Wahlen mehr an. Die Koalition muss jetzt einfach mal regieren. Schon bei der Gesundheitsklausur hat man das Bemühen um Einigkeit gemerkt. Wenn sie diese Einstimmigkeit aufrechterhalten, kann sich die Wahrnehmung der Koalition schnell wieder wandeln.

5. Wie geht es für SPD-Chefin Hannelore Kraft weiter? Werden ihr die Wähler Vertrauensbruch vorwerfen wie Andrea Ypsilanti?

Wenn sie zuerst Initiativen wie die Abschaffung der Hochschulgebühren einbringt, wie es auch die Linke fordert, dann wird sie den Ypsilanti-Faktor schnell erfahren. Wenn sie eher Projekte angeht, mit denen sich auch die Union identifiziert, umgeht sie dieses Problem. Solche Projekte zu finden dürfte aber schwer werden.