Mit dem ehemaligen paraguayischen Torjäger “Romerito“ auf dem Fanfest unterwegs

Nervös rollt er von der Ferse zum Ballen - und wieder zurück. Ein paarmal wippen seine Schuhe mit dieser Bewegung über den Schotter des Heiligengeistfeldes, sein bulliger Körper wankt dabei wie ein Schiff bei Windstärke acht. Es wirkt, als wolle er mit jeder Vorwärtsneigung den paraguayischen Angriff, der gerade auf die slowakische Deckung zurollt, unterstützen. Jetzt kommt die Anspannung doch wieder durch bei dem grauhaarigen Mann, der noch vor zehn Minuten behauptet hat, er sei nicht aufgeregt.

Paraguay bestreitet gerade sein zweites Gruppenspiel bei der WM in Südafrika, und der berühmteste Torjäger des Landes steht vor einer Großbildleinwand in Hamburg. Julio César Romero, kurz "Romerito", kann als ehemaliger Nationalspieler nachempfinden, was es bedeutet, bei einer Fußball-Weltmeisterschaft aufzulaufen. Er schoss bei der WM 1986 in Mexiko zwei Tore, kickte in den 80er-Jahren mit Franz Beckenbauer und Pelé bei Cosmos New York und gilt als einer der besten Spieler, die die Welt je gesehen hat. In 35 Länderspielen erzielte er 21 Tore, seine Hand- und Fußabdrücke sind am brasilianischen Fußballtempel, dem Maracanã-Stadion, zu bewundern, Johan Cruyff, niederländischer Fußballheld, ist ein guter Bekannter. Viel mehr kann ein paraguayischer Volksheld nicht erreichen.

Und weil "Romerito", heute 50 Jahre alt und Marketingmitarbeiter einer südamerikanischen Telefongesellschaft, so eine Persönlichkeit ist, lag die Einladung zur WM aus Südafrika schon in seinem Briefkasten. Er zog es dennoch vor, als Botschafter seines Landes die WM von Hamburg aus zu verfolgen. "Vergiss Südafrika, ich komme nach Hamburg", hat er gesagt, als Gladys Meza, Paraguayerin in Hamburg, den Fußballstar fragte. "Es ist das Tor zur Welt. Eine tolle Stadt. Und außerdem möchte ich hier Anregungen für die Fußballjugendarbeit in Paraguay mitnehmen", sagt "Romerito", der in seiner Heimatstadt Luque barfuß mit dem Kicken begann.

Dort, wo auch Roque Santa Cruz geboren wurde, spielen viele Straßenkicker noch immer ohne Schuhe, ohne Verein, ohne Aussicht auf Besserung. Am Stand Paraguays steht Romerito deshalb permanent auf Abruf, erzählt, wie das Leben in seiner Heimat aussieht, warum die Ureinwohner Guarani den Staat prägen und trinkt vielleicht auch einen Mate, das Nationalgetränk, mit interessierten Besuchern.

Beim Fanfest auf dem Heiligengeistfeld nimmt er aber nicht nur die Rollen des Landesbotschafters, Folkloretänzers und Fahnenträgers der eigens aus Südamerika eingeflogenen fünfzehn mal fünf Meter großen Landesflagge ein. Er ist auch am deutschen Fußball und seinen Machern interessiert. Als er in der Halbzeitpause auf der Bühne des Fanfestes vor rund 1000 Besuchern gefragt wird, wo er die deutsche Nationalelf sieht, kratzt er sich verlegen an der Stirn und sagt: "Im Finale." Ob sie das Zeug zum Weltmeistertitel hat? "Im Fußball ist alles möglich." Seinen Paraguayern bescheinigt er danach Halbfinalqualität, was angesichts des 2:0 gegen die Slowakei nicht nur wohltuend bescheiden wirkt, sondern auch Sachverstand zeigt.

Das wissen die Reporterkollegen in der Heimat zu schätzen. Während seiner Arbeit in Hamburg bimmelt dauernd das Telefon, er ist Experte sämtlicher paraguayischer Fernsehsender und nebenbei noch für das Geschichtsprojekt "Expedición Fútbol" unterwegs. Selbst den Anstoß nebst Nationalhymne des gestrigen Spiels hat er verpasst, weil er noch Verpflichtungen hatte.

Umso größer fällt sein Jubel aus, als um 13.57 Uhr das 1:0 für sein Heimatland fällt. Das Wippen wird eingestellt, stattdessen reckt er beide Hände in die Luft. Auf ein kleines Tänzchen folgt der Schlachtruf: "Paraguay! Paraguay!" Fünf Minuten später muss er wieder einen Termin wahrnehmen.