Die Finanzexpertin mit internationaler Erfahrung hält politische Isolation für hochgefährlich und erinnert an die leidvolle europäische Geschichte

Manche Deutsche werden alt und verklären ihre Jugend. Sie meinen, dass damals, als es die D-Mark noch gab, die Welt eine bessere war. Die Wirtschaft brummte lauter, die Arbeitslosigkeit war geringer, Finanzkrisen gab es nicht, und Banker waren noch seriöse Leute. Die D-Mark als Bollwerk gegen jedwedes Ungemach. Doch jetzt? Man ist auf den Mischlingshund gekommen, auf den Euro. Er ist ein schwächlicher Wechselbalg, ein Kuckuckskind, das uns in die deutsche Wiege gelegt wurde. Seit seiner Einführung ist nicht nur alles teurer, überdies pauken wir nun noch diejenigen heraus, die irgendwo im Süden dem Müßiggang frönen. Klingt bekannt? Kein Wunder, ist auch ein Destillat der Volksverdummung, der man sich in den letzten Wochen und Monaten, selbst beim allerbesten Willen, kaum entziehen kann.

Von wegen Volksverdummung, höre ich da einige sagen, das ist Aufklärung! Wir müssen den Leuten doch erklären, was für ein prekäres Unterfangen die Euro-Einführung war, dass uns die Politiker damals einen europäischen Bären aufgebunden haben, dass wir, die Deutschen, immer nur für Europa zahlen und keine Gegenleistung bekommen, dass wir die Dummen sind und die anderen sich ins Fäustchen lachen. Ach ja? Angst machen und Unsicherheit erzeugen, scheint bei uns oft auf nahrhaften Boden zu fallen. Gerade in den letzten Tagen hat das Meinungsforschungsinstitut GfK eine neue europäische Befragung veröffentlicht. Sie zeigt die Deutschen als die am meisten von Angst geplagten Europäer. Vielleicht wird deshalb im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise so viel Plattes veröffentlicht, da hoffen viele darauf, dass das Angstmachen den lautesten Applaus bekommt.

Der Gedanke, wir stünden besser da, wenn wir zur D-Mark oder zu einer Mini-Währungszone zurückkehrten, ist abwegig.

Sollte die Euro-Zone zerbrechen, ist das Weiterbestehen einer Kernzone aus Deutschland, den Beneluxstaaten und wohl auch Frankreich (anders als zu D-Mark-Zeiten kann der deutsch-französische Gleichschritt allerdings nicht mehr garantiert werden) wahrscheinlich. Für die Geldpolitik wäre die Bundesbank verantwortlich, die immer noch ihren legendären Ruf als bedingungsloser Währungshüter genießt. Damit würde die Kernwährung ein international "sicherer Hafen" und stark aufwerten. In der Peripherie würden einige Währungen in den Keller fallen. Deren Notenbanken müssten die Zinsen erhöhen, um die Wechselkurse zu stützen und um Kapitalflucht zu bremsen; diese Länder gerieten in eine Rezession. Unsere Exportindustrie würde einerseits durch eine starke Währung, andererseits durch verminderte Nachfrage in die Zange genommen.

Die Schäden für die Exportwirtschaft und den davon abhängigen Arbeitsplätzen wären groß, aber wohl beherrschbar. Doch der Schaden für das europäische Finanzwesen, inklusive der deutschen Banken und Versicherungen, wäre voraussichtlich nicht zu beherrschen. Viele der in der Peripherie angesiedelten Banken würden sich einem Run, gepaart mit Kapitalflucht, gegenübersehen. Das würden sie nicht aushalten und kollabieren. Die betroffenen Staaten hätten kein Geld, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Banken innerhalb der Kernzone würden sich dem Sog nicht entziehen können, da sie eng mit dem übrigen Europa verwoben sind. Eine Finanzkrise in Europa würde die amerikanischen und asiatischen Banken und Märkte mitreißen. Wir stünden da, wo wir schon 2008 in den Abgrund gestarrt haben - aber keiner hätte mehr Geld für eine Rettung.

Wäre deutsches Verhalten für ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone verantwortlich - sei es durch aktive Politik oder durch passives Unterlassen von als notwendig erachteten Maßnahmen -, stünde unser Staat als politisch isoliert in Europa da, denn der potenziell fatalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen ist man sich auch im übrigen Europa deutlich bewusst. Politische Isolation ist hochgefährlich, die möglichen Konsequenzen sind uns durch die europäische Geschichte leidvoll bewusst. Die friedfertige Integration Europas ist von existenzieller Bedeutung. Es liegt in unserem nationalen Interesse, sich diesem Ziel weiter zu verschreiben, nicht nachzulassen, und es nicht als schon erreicht abzutun.

Zu große Worte? Ich denke nicht. Bei allen Konstruktionsfehlern, die der Euro-Zone innewohnen, und die die Politik schnellstens beheben sollte: Eine wünschenswerte Alternative gibt es nicht, politische und wirtschaftspolitische Gründe sprechen dagegen. Die D-Mark muss begraben bleiben.