MAN fusioniert Diesel- und Turbinenwerke und gehört nun mit mehr als 1000 Beschäftigten zu den 70 größten Unternehmen der Hansestadt.

Hamburg. Blanker Stahl. Geschmiedete Kurbelwellen liegen auf Werkbänken, Monteure schneiden neue Gewinde und setzen Bohrungen in Rohlinge. In den Regalen unter dem Dach der 18 Meter hohen Rotklinkerhalle liegen bis zu eine Tonne schwere, überholte und polierte Kolben für Schiffsmaschinen: Im Hamburger Diesel-Werk am Rosshafen hat der MAN-Konzern die Instandsetzung seiner Schiffsmotoren konzentriert. Als die Halle 1939 gebaut wurde, schraubte die Belegschaft hier die Hauptmaschinen für die U-Boote der benachbarten Howaldtswerke zusammen. Jetzt betreut der Konzern von der Hansestadt aus 400 deutsche Reeder. Die aus Japan oder Tschechien gelieferten Wellen - die größten sind mehr als 20 Tonnen schwer - erhalten ihren letzten Schliff und werden später kleinere Containerfrachter antreiben.

Die 300 Mitarbeiter des Hamburger Diesel-Werks und die etwa gleich große Belegschaft des Dampfturbinenbauers MAN Turbo nur wenige Kilometer entfernt sind jetzt Teil einer weltweiten Fusion. Damit entsteht in Hamburg ein neuer Industriebetrieb. Nimmt man noch die knapp 500 Mitarbeiter des Lkw-Vertriebs dazu, hat MAN in Hamburg mehr als 1000 Beschäftigte und rangiert unter den 70 größten Arbeitgebern der Stadt - gleichauf mit Unilever und Alice/Hansenet.

MAN ist Weltmarktführer bei Zweitakt-Schiffsmotoren

Weltweit entsteht durch die nun abgeschlossene Fusion der Dieselmotoren- und Turbinen-Produktion für Kraftwerke zur MAN Diesel & Turbo ein Unternehmen mit 12 500 Mitarbeitern in 14 Werken und knapp 3,8 Milliarden Euro Umsatz - ein Drittel des Gesamtkonzerns, der vor allem für seine Nutzfahrzeuge bekannt ist. MAN ist mit mehr als 80 Prozent aber auch Weltmarktführer bei Zweitakt-Schiffsmotoren für Riesenfrachter und auch bei den in Augsburg montierten und in Hamburg gewarteten kleineren Viertaktern gehört der Maschinenbauer neben Hyundai und der finnischen Wärtsilä zu den Marktführern.

Hintergrund der Fusion, mit der Umsatz- und Gewinnrückgänge aus der Schifffahrtskrise wettgemacht werden sollen, ist ein neues Konzept. Künftig sollen Dieselmotoren und Dampfturbinen zunächst vor allem für Kraftwerke gemeinsam verkauft werden. "Ein Markt, der auch in der Krise stabiler ist als das Schiffbaugeschäft", sagt Gerd Seidel, der Chef des Hamburger Turbo-Werks, dem Abendblatt.

Werden beide Aggregate gekoppelt, lässt sich mit der Abwärme des Motors Dampf erzeugen, der die Turbine treibt, die wiederum zusätzlichen Strom erzeugt. "Damit steigt der Wirkungsgrad solcher Anlagen von 54 auf 70 Prozent", sagt Seidel. Die Lieferung von Motor und Turbine aus einer Hand soll bei der Ausrüstung von Kraftwerken Vorteile gegenüber dem Marktführer Wärtsilä bringen. "Denn die Finnen können bisher keine Dampfturbine aus dem eigenen Haus anbieten", sagt der Turbo-Chef Seidel.

Neues Konzept soll Umsatz pro Jahr um 100 Millionen Euro steigern

Insgesamt erwartet Klaus Stahlmann, der neue Vorstandschef von MAN Diesel & Turbo, von dem neuen Konzept ein Umsatzplus von jährlich 100 Millionen Euro bis 2015. Dazu kommen Einsparungen von 60 Millionen Euro durch den gemeinsamen Einkauf und die zusammengelegte Verwaltung und Logistik für die fusionierten Firmen. Auch das Marketing soll übergreifend eingesetzt werden. Ein Arbeitsplatzabbau ist aber nicht vorgesehen. Allerdings prüfen Seidel und der Geschäftsführer des Diesel-Werks, Tilmann Greiner, derzeit für Hamburg, ob sich Mitarbeiter aus beiden Werken bei Bedarf auch am jeweils anderen Standort einsetzen lassen.

Von dem neuen Konzept verspricht sich vor allem Seidel nun einen höheren Absatz für seine Turbinen. Zwar hat sich die Auftragslage im Kraftwerksgeschäft im ersten Quartal 2010 wieder gebessert. Doch zuvor war die Finanzierung der Anlagen, die vor allem bei Biomassekraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen genutzt werden, ins Stocken geraten. Die Investitionen gingen zurück und Seidel musste einige Mitarbeiter bis zum März in Kurzarbeit schicken. Diese Phase ist jetzt vorbei.

Neue Chancen rechnet sich auch Greiner aus. Denn die Koppelung von Diesel-Hauptmaschine und Dampfturbine soll künftig auch für Schiffsantriebe angeboten werden. Gelingt dies, tut sich für die Wartung und Instandhaltung der Anlagen ein neues Geschäft auf. Ohnehin verfügt Greiner hinter der Halle über einen Liegeplatz, den sechs- bis siebenmal im Jahr Reeder nutzen, um die MAN-Crew einen Blick auf die Technik ihrer Schiffe werfen zu lassen.

Zwölf Millionen Euro werden bis 2012 in den Standort Hamburg investiert

Im Gegensatz zum jetzt mit ihm vereinten Turbinen- und Kompressorenbauern steckt das Diesel-Motorenwerk derzeit noch stärker in der Krise. "Die Reeder halten sich mit größeren Reparaturen zurück oder wechseln zu nicht herstellergebundenen Servicebetrieben", sagt Greiner. Kurzarbeit für durchschnittlich 50 Mitarbeiter gilt dort seit Oktober. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. "Es holpert bei uns", so der Geschäftsführer. Klar ist aber: Für MAN ist der Standort Hamburg fest eingeplant. "Wir haben uns endgültig gegen einen zunächst angepeilten Umzug nach Wilhelmsburg entschieden und unseren Mietvertrag mit der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) bis 2020 verlängert", sagt Greiner.

Jetzt werden die zunächst wegen des angepeilten Standortwechsels aufgeschobenen Investitionen nachgeholt. Bis 2012 sollen so mehr als zwölf Millionen Euro fließen. Allein 1,2 Millionen Euro für Krane und Tieflader. 650 000 Euro sind für eine neue Waschmaschine für Maschinenteile vorgesehen. Die alte, die so groß ist wie ein Güterwaggon, hat nach mehr als 40 Jahren demnächst ausgedient.