Pastorin Erneli Martens begleitet bei der Hamburger Feuerwehr seit zehn Jahren Opfer, Hinterbliebene und Zeugen von Unglücken.

Hamburg. Ihr Pastorat ist die Feuerwache am Berliner Tor. Von dort eilt sie häufig an Orte, an denen sich schreckliche Katastrophen ereignet haben, an denen Menschen bei Unglücken mit schwersten Verletzungen oder Tod konfrontiert werden. Erneli Martens ist Notfallseelsorgerin bei der Hamburger Feuerwehr. Seit nunmehr zehn Jahren, seit Gründung der Notfallseelsorge, rückt die 48 Jahre alte Pastorin aus - zu Verkehrs-, Arbeits- oder Badeunfällen, wenn jemand Suizid begangen hat oder eine Todesnachricht überbracht werden muss.

"Ich begleite Unfallopfer, Angehörige, Freunde oder Augenzeugen in den ersten Stunden ihrer Krise", sagt Erneli Martens. Ihre offizielle Berufsbezeichnung: Pastorin für Feuerwehr und Leitung der Notfallseelsorge.

Ihre Schützlinge können Menschen sein, die mit ansehen mussten, wie sich ein Lebensmüder vor den Zug geworfen hat. Schulkinder, deren Klassenkamerad aus dem Fenster einer Wohnung im zehnten Stock gesprungen ist. Oder jemand, der Verursacher eines schlimmen Unfalls ist. Erst kürzlich wurde die Pastorin nach Alsterdorf gerufen: Dort hatten Mitarbeiter der Stadtreinigung beim Rückwärtsfahren einen Rollstuhlfahrer tödlich verletzt. Für die Männer eine entsetzliche Situation - eine, in der es guttut, jemanden wie Erneli Martens an der Seite zu haben. Mit der man schweigen oder reden kann.

"Jeder Mensch reagiert in Belastungssituationen anders. Ich versuche herauszufinden, was die Betroffenen brauchen", sagt die Notfallseelsorgerin, die in Pastoralpsychologie und Psychotraumatologie ausgebildet ist. Oft ist ihr Beistand lebenswichtig. "Manche, über die eine Katastrophe hereingebrochen ist, fragen sich, wie sie damit weiterleben sollen", sagt die Pastorin. "Der Betroffene darf seinen Lebenswillen nicht verlieren." Die Einsätze erfordern ihre ganze Aufmerksamkeit, nicht selten braucht auch sie Unterstützung - ein Gespräch oder jemanden, der mit ihr schweigt und einfach nur da ist. "Gerade wenn Kinder betroffen sind, vielleicht noch im Alter der eigenen, geht mir das sehr nahe", sagt die Mutter zweier Söhne. Doch sie bekommt durch ihre Tätigkeit auch etwas zurück, lebt bewusster. Sagt ihrer Familie und ihren Freunden, was sie für sie empfindet. Denn oft, wenn sie Hinterbliebene begleitet, hört sie den Satz: "Ach, hätte ich ihm das doch noch sagen können."

Von ihrem Büro in der Feuerwache aus organisiert die engagierte Notfallseelsorgerin auch ein Netzwerk aus 80 teilweise von ihr selbst ausgebildeten Pastoren, die ihren Bereitschaftsdienst freiwillig neben ihrer Berufstätigkeit leisten. War Erneli Martens in den ersten sieben Jahren allein verantwortlich für die Notfallseelsorge in Hamburg, wird sie seit zwei Jahren von zwei Pastorinnen mit jeweils einer halben Stelle unterstützt.

Neben bunten Gemälden und einem Kreuz hängt in ihrem Arbeitszimmer auch eine große Hamburg-Karte an der Wand. Hier zeigt sie auf ihre weiteren Einsatzorte: die Feuerwehrakademie in Billbrook, an der sie Feuerwehrleute in der psychosozialen Unterstützung von Menschen in den ersten Minuten nach einem Unglück unterrichtet. Oder die Hauptkirche St. Petri, an der Erneli Martens Seminartage zur Notfallseelsorge veranstaltet, aber auch Taufen und Trauungen innerhalb ihrer Feuerwehr-Gemeinde vornimmt.