Beim Casting für den ersten Kalender der Art präsentieren sich norddeutsche “Mädchen vom Lande“ mit Strohballen und Mistgabel in der Handwerkskammer - fast hüllenlos

"Jetzt mach mal sexy!" Die Fotografen pirschen sich nach vorn. Laura Holzlöhner, 21, in rosa String und BH, zupft kokett am Strohballen. Sie sei ein Mädel vom Land, hat sie eben erklärt. Und dass sie neben dem Studium als Melkerin arbeite. Das war die erste Hürde. Die zweite - "mach mal topless" - nimmt sie mit Bravour. BH runter, Hände in die Hüften, einmal lächeln für die Kamera. Elf Punkte, notiert die Jury.

Das Casting zum ersten Deutschen Bauernkalender findet in der Hamburger Handwerkskammer statt. In einem kahlen Raum hat die schweizerische Magic Fox Media GmbH ihr Szenario aufgebaut: ein Strohballen, eine Mistgabel, eine Milchkanne. Schließlich sollen die Models echt "vom Land" sein - und das auch zeigen. "Einfach nur eine Katze zu Hause zu haben genügt uns nicht", sagt Mike Helmy, der Herausgeber. "Die Frauen transportieren ja auch ein Bild vom Landleben und von den Landfrauen."

In der Schweiz gibt es den Bauernkalender schon seit Längerem, jetzt sollen die Deutschen nachziehen. Gestern war Casting in München. Und heute also Hamburg. Doch die norddeutschen Schönheiten lassen auf sich warten. Aus Schleswig-Holstein haben sich so wenige Frauen beworben, dass die Veranstalter noch ein offenes Casting angehängt haben - in der Hoffnung auf echte norddeutsche Bäuerinnen oder doch wenigstens ein paar vom Land.

Male Bockelmann ist so ein Mädchen vom Land. Aus Bad Bevensen in Niedersachsen kommt sie, und den Bauernkalender hat sie zum ersten Mal auf einer Landwirtschaftsmesse gesehen. "Mein Freund hat dann gesagt: 'Bewirb dich doch mal'", erzählt die 20-Jährige, ein rotwangiges Mädchen in Jeans und T-Shirt. "Ich dachte, das hat eh keinen Zweck. Aber dann haben sie mich angerufen." Eike Christian Behne, ihr Freund, begleitet sie auch zum Casting. Seit einer halben Stunde sitzen die beiden hier im Flur, Male ist aufgeregt. Mit erotischen Fotos hat sie kein Problem. "Aber alles zeige ich nicht." Muss sie auch nicht. Ganz nackt, darauf legt Helmy Wert, wird keine fotografiert. Wer "topless" nicht will, muss nicht - die meisten aber wollen dann doch.

Drinnen ist die Jury endlich komplett. Davorka Tovilo, ihres Zeichens Showgirl und TV-Sternchen ("Pro Sieben Wasser-Rutsch-WM"), kam später. Der Flieger. Neben ihr und Helmy sitzen in der Jury: die deutsche Kartoffelkönigin Melanie Wölm, Hinrich Bavendam, Präsident des Bremischen Landwirtschaftsverbands, und Fotograf Max Seam (er hat damals Anni Friesinger für "Maxim" fotografiert). Jeder hat einen Block vor sich liegen, auf dem er die Punkte notiert. Kommunikativ, fotogen, Bezug zum Landleben, erotische Ausstrahlung sind die Kriterien.

Das Casting beginnt. Auftritt Ariane D.e, 20, knappes Oberteil, Hotpants, Glitzer am Dekolletee. Routiniert spult sie ihr Leben ab: wie sie damals beim Casting "Die Eine" für Einkaufszentren teilnahm, wie sie dann, nur für sich, Fotos machen ließ, irgendwann in der "Bild"-Zeitung die Ausschreibung zum Casting sah und sich bewarb. Und dass sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten mache.

Die Steuerfachangestellte ist bei der Jury schnell vergessen, als die 20-Jährige posiert. Und natürlich hat Ariane sich schon immer auch für das Modelbusiness interessiert, wie sie später verrät. "Die ist super!", raunt Helmy, die Fotos sind erst recht kein Problem. Brust raus, Bauch rein, Schmollmund. Ihre Heidi Klum hat Ariane im Kopf. Eine Bewerberin folgt auf die nächste. Alle sind sie blond, alle schlank, alle braun gebrannt. Und alle lieben sie das Land, natürlich, beteuern sie, sonst wären sie ja nicht hier. Nach einer kurzen Vorstellung folgt dann das Ablichten. "In Wäsche", sagt der Fotograf, aber die High Heels bleiben an. Mistgabel und Milchkanne genügen in Hamburg vorläufig als Bauernhof-Ambiente. Machst du auch topless? Ja, sagen die meisten, aber dann doch nicht ganz, nur mit den Händen vor dem Busen.

Das müssen sie heute nicht zeigen, heute ist nur "sexy". Streck mal die Hüfte vor. Setz dich mal hin. Guck mal böse. Niedersächsin Male hat mit dem "sexy" so ihre Schwierigkeiten. "Weiß nicht", sagt sie erst. Das Stichwort für Tovilo. "Davorka, meine Liebe, mach doch mal vor", ruft Helmy, und das Starlet greift zur Mistgabel. Rekeln, schmollen, lächeln. Male macht brav mit. Das hier ist zum Spaß, hat sie vorhin gesagt, doch der Spaß ist erst einmal vorbei: Nach dem Foto kommt der Vorstellungsfilm, dann kommt die nächste.

Die nächste ist 44 und damit die mit Abstand älteste Bewerberin. Ihre nackten Brüste könne man niemandem mehr zumuten, beginnt Yvonne Lawrenz fröhlich, doch mit dem Ausziehen habe sie trotzdem kein Problem. Solange der BH dran bleibe. Bleibt er. In knapper Unterwäsche stellt sie sich vor die Jury und ruft sofort Begeisterungsstürme hervor. "Du hast 'ne Top-Figur", beteuert Davorka, und Herausgeber Helmy: "Da habe ich aber wirklich schon schlechter aussehende junge Mädchen gesehen." Es gebe keine Altersgrenze, sagt er später. "Muss halt nur gut aussehen, denn wir wollen ja einen schönen Kalender machen." Große Chancen rechnet sich Yvonne trotzdem nicht aus. "Ich hab nichts zu verlieren", sagt sie, und: "Neben dem Job und der Farm muss ich auch mal was anderes machen, das mich fordert."

Die Spannung steigt, ein Großteil der Bewerberinnen ist gecastet. Zum Gruppenfoto ziehen sich alle noch einmal aus. Sieben Frauen in Unterwäsche staksen in den Raum, stellen sich vor dem Strohballen in Position. Dazu kommen Kartoffelkönigin und Starlet, Herausgeber und Landwirtschaftspräsident. Alle rücken zusammen. Laura, Ariane, Yvonne und Male strahlen. Wer in den Kalender darf, entscheidet sich erst in den nächsten Tagen. Doch Laura hat vermutlich gute Chancen. Schließlich macht sie auch topless.