Vaneeta Patnaik, Doktorandin aus Kalkutta

Liebe Hamburgerinnen, liebe Hamburger,

schon beim Landeanflug war ich überrascht: viel Grün und Garten an Garten. Hamburg kommt fast ohne hohe Zäune aus. Hier müssen sich die Nachbarn gut verstehen und keine Angst vor Überfällen haben. Ebenso angenehm ist mir aufgefallen, dass vor den Einkaufszentren und großen Firmen keine Sicherheitsleute stehen.

Auch sonst sind die Kontraste groß. Wenn ich allein an die vielen Fußgänger denke, selbst bei Regen. Daheim in Kalkutta gibt es mehr als 100 000 Auto- und Fahrrad-Rikschas. Für umgerechnet wenige Cent kann man sich ein paar Ecken weiter fahren lassen. Andererseits kann man in Hamburg nicht verloren gehen: Die Stadt ist geplant, die Straßen sind gut geordnet, man findet sich schnell zurecht. Und sehr viele Hamburger sprechen Englisch, selbst in kleinen Geschäften.

Weiter aufgefallen ist mir die Höflichkeit der Hanseaten: Selbst wenn sie wütend sind, sagen sie noch "Bitte!" Es passt ins Bild, dass kaum gehupt wird. Dafür ist das Auto für viele wie ein Baby. Beim kleinsten Kratzer kriegt man die Krise. Und sehr viele Leute sitzen allein im Wagen, anstatt Bus zu fahren.

Dabei macht Busfahren in Hamburg Spaß; sogar im Hauptverkehr geht alles anständig und gesittet zu. Da ich ansonsten keine größeren Menschenaufläufe mag, meide ich auch das Fanfest auf dem Heiligengeistfeld. Ich bin ohnehin erstaunt, wie viel und oft auf der Straße Alkohol konsumiert wird. Das gibt es in Indien nicht. Andere Trinkgewohnheiten der Hamburger verblüffen mich ebenso. Sie schätzen grundsätzlich solide Qualität, vermischen aber Apfelsaft, Bier und sogar Wein zu Alsterwasser oder Schorlen. Erstaunlich!

Jetzt am Wochenende habe ich lieber die Ruhe im Stadtpark genossen. Ich arbeite dort gerne und lese meine Fachbücher. Manchmal nutzen wir die Grünanlage auch zum Grillen mit Freunden. Wobei ich immer wieder erstaunt bin, wie groß die Portionen auf den Tellern hier sind.

Mein Zwischenfazit: Ich mag Hamburg und die Hamburger sehr. Nur der Winter ist nicht mein Fall, da habe ich meine Wohnung zwei Wochen nicht verlassen. Folglich werde ich im Herbst für ein paar Monate nach Hause fliehen und zum Frühjahr wiederkehren. Fest steht jetzt schon, dass ich meiner Mutter ein kleines Geschenk mitbringe: eine Salatschleuder. So etwas ist in meiner Heimat nur schwer zu kriegen.

Vaneeta Patnaik (37) aus Kalkutta studiert Jura an der Universität Hamburg und schreibt am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ihre Doktorarbeit. Aufgezeichnet von Jens Meyer-Odewald