Nach den jüngsten Angriffen vor Somalia verhandelt der Verband mit der Regierung über einen bewaffneten Begleitschutz.

Noch vor wenigen Jahren waren die Äußerungen Deutscher Reeder zur Piratengefahr so dezent wie ihre dunkelblauen Anzüge. Die Gefahr schien gering, zu viel Gerede nur schädlich. Von "Spitzbuben", nicht von gefährlichen Gangstern, war die Rede. Wenn überhaupt. Inzwischen hat sich das deutlich geändert. Am gestrigen Freitag nahm der Verband Deutscher Reeder die Auslieferung somalischer Piraten an Hamburg zum Anlass, um für einen konkreten Schutz durch bewaffnete Sicherheitskräfte zu werben. Die Reeder, so scheint es, haben einen Kurswechsel vollzogen, weil die Gefahr steigt. "Wir brauchen jetzt Bundespolizei an Bord deutscher Schiffe", sagte Verbandssprecher Max Johns und räumte ein, dass der Reederverband mit diesem "Wunsch" nun einen "Schwenk" vollzogen habe. Mit der Bundesregierung sei man bereits im Gespräch. Noch vor der Sommerpause, so Johns, hoffen die deutschen Reeder nun auf eine politische Entscheidung.

Der Schutz deutscher Schiffe ist rechtlich allerdings nicht einfach: Marine-Soldaten dürfen, ähnlich wie im Inland, solche Schutzaufgaben aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht übernehmen, sagt Johns. Das sei die Aufgabe der Bundespolizei. "Doch der fehlen für solche Einsätze Hubschrauber und Schiffe." Daher sei die logistische Unterstützung durch die Marine notwendig. Johns: "Und dafür brauchen wir eine politische Entscheidung."

Mombasa wird inzwischen nur noch in einem riesigen Bogen angefahren

Bei den Gesprächen mit der Bundesregierung geht es Johns zufolge um einen Begleitschutz von sechs bis zehn Bundespolizisten, die in den gefährdeten Gebieten am Horn von Afrika für zwei, drei Tage ein Handelsschiff begleiten sollen. Das eigentliche Gefahrgebiet dort sei inzwischen nicht mehr der durch die westlichen Marinekräfte gut kontrollierte Korridor direkt vor Somalia, sondern weite Teile des indischen Ozeans. 215 der weltweit 409 Piratenattacken wurden 2009 bereits in diesem Seegebiet registriert.

Der wichtigste Hafen in Ostafrika, Mombasa, werde daher inzwischen nur in einem riesigen Bogen angefahren, der mehr als zwölf zusätzliche Fahrtage erfordere, sagte Roland Höger, Geschäftsführer der Hamburger Reederei Komrowski, deren Container-Frachter "Taipan" am Ostermontag von zehn somalischen Piraten überfallen worden war. Ein Marine-Schiff mit niederländischen Spezialeinheiten war jedoch in der Nähe und konnte die "Taipan" befreien. Die zehn Somalier wurden gefangen genommen, kamen nach Holland und wurden schließlich am Donnerstag nach Hamburg ausgeliefert (siehe Bericht unten).

Bereits kurz nach der Ankunft kam der jüngste Somali, der nach dem Ergebnis eines Altersgutachtens erst 15 oder 16 Jahre alt ist, vor einen Jugendhaftrichter, der ihm den Haftbefehl verlas. Der Jugendliche machte keine Aussage, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die übrigen neun Seeräuber wurden am Freitag vernommen. Von 9 Uhr an traten die Männer der Reihe nach vor den Richter. Begleitet wurden sie von ihren Anwälten und von Dolmetschern.

Den Piraten drohen Höchststrafen von bis zu 15 Jahren

Keiner der Piraten machte Angaben zur Sache, wohl auf Anraten der Anwälte. Danach wurden sie in ihre Zellen zurückgeführt. Ihre Haftbefehle waren Mitte April vom Amtsgericht Hamburg erlassen worden und die Grundlage für das Auslieferungsersuchen. Die zehn Piraten, von denen der Großteil die Haftbefehle gefasst entgegennahm, werden die Zeit bis zum Prozess nach dem Prinzip der Tätertrennung in unterschiedlichen Gefängnissen verbringen. Die Staatsanwaltschaft ist zuversichtlich, dass die Anklage noch im Sommer steht. Möglicherweise könnte die Hauptverhandlung schon im Frühherbst beginnen. Den Piraten drohen Höchststrafen von bis zu 15 Jahren.

Ob das allerdings abschreckend wirkt, bezweifeln Piratenexperten wie der Buchautor Eigel Wiese. Die Hintermänner seien zwar über die Vorgänge in Hamburg informiert, die Seeräuber selbst aber wohl nicht.

Unabhängig von der Forderung nach Polizeischutz helfen sich viele Reedereien inzwischen auch selbst und heuern private Sicherheitsdienste an, in deren Sold meist ehemalige britische oder russische Soldaten stehen. Doch dabei gibt es auch ein Problem. Schiffe unter deutscher Flagge dürfen aus rechtlichen Gründen keine solchen bewaffneten Kräfte an Bord haben. Und noch immer 640 der rund 3300 von deutschen Unternehmen verwalteten Schiffe fahren die deutsche Flagge am Heck. Sollte Deutschland diese Schiffe nun nicht durch Bundespolizisten schützen können - dann drohe eine zunehmende Ausflaggung, sagt Reedersprecher Johns. Bei der "Taipan" ist das schon geschehen. Gleich nach der Befreiung ließ die Reederei das Schiff in ein ausländisches Register eintragen. Jetzt fährt der Hamburger Frachter mit Liberia-Flagge über die Weltmeere.

Und mit bewaffneten, privaten Sicherheitsleuten an Bord, also Söldnern.