Sinn verloren

Erzbischof Werner Thissen: ",Wir müssen bekennen: Das war falsch'" und "System des Schweigens und Vertuschens", Hamburger Abendblatt, 15. März

Als katholischer Christ war ich schon immer gegen den Zölibat. Dieser wurde über 1000 Jahre nach Christus von einem Papst (also einem Menschen) verordnet. Das mag zu jener Zeit seine Gründe gehabt haben. Aber in späterer, insbesondere in der Jetztzeit, hat er schon lange seinen Sinn verloren. Wie kann ein Klub von alten Männern (Klerus von Rom) qualifiziert über Ehe, Sex und Familienplanung urteilen? Wenn ein Papst seinerzeit den Zölibat festgeschrieben hat, kann ihn auch ein Papst wieder abschaffen und den Priestern und Nonnen anheimstellen, wie sie leben möchten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dann die Missbräuche auf ein "übliches" kriminelles Mindestmaß reduzieren. Als nächsten Papst wünschte ich mir einen Jüngeren aus der Dritten Welt. Dann würde die Kirche sich mit Sicherheit mehr um das geborene als um das ungeborene Leben kümmern.

Manfred Johannes Wolf, Ammersbek

Problem Verjährung

Der Skandal hinter dem Skandal ist die Verjährung. Bei Mord wurde diese zu Recht aufgehoben. Bei Missbrauch von Kindern, eine der schlimmsten Taten gegen die Menschenwürde, an der die Opfer ein Leben lang leiden, zieren sich die Politik und die Justiz. Warum nur? Wie verträgt sich diese Zaghaftigkeit mit dem Artikel 1 unserer Verfassung? Ist die Kirche immer noch sakrosankt?

Andreas Kaluzny, per E-Mail

Mittelalter

Schafft endlich den Zölibat ab, dann muss sich kein Geistlicher an Schülern vergreifen. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter.

Karin Winter, per E-Mail

Einseitig

Ich finde es einfach souverän, wenn der Papst nicht über jedes Stöckchen springt, das ihm die deutschen Medien hinhalten. Die Enttäuschung und Wut darüber sind fast greifbar. Man kann sich ja so ausgiebig an dem System "Katholische Kirche" festbeißen. Ihr Autor ist in seiner Berichterstattung sehr einseitig. Lassen wir mal die Fälle sexuellen Missbrauchs oder der sexuellen Nötigung außen vor, so sind andere der dargestellten Fälle, wie kollektive Bestrafung (Strafarbeiten) und Prügelstrafen von sadistischen Lehrern und auch Lehrerinnen in den Volksschulen und Internaten bis in die 60er- und 70er-Jahre Schulalltag gewesen.

Helmut Leßmöllmann, per E-Mail

Anerkennung

"Hamburger Weihbischof stellt Pflicht zum Zölibat infrage" und Kommentar "Kirche muss zeitgemäß werden", Hamburger Abendblatt, 13./14. März

Man kann die täglichen Meldungen über Misshandlungen und sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen schon nicht mehr hören. Dem Hamburger Weihbischof Jaschke gebühren Anerkennung und Respekt, dass er sich offen gegen die Führung der katholischen Kirche stellt und endlich den unbestreitbaren Zusammenhang zwischen dem überholten, unnatürlichen Zölibat und den Missbrauchsfällen herstellt. Diese Lebensweise ist wider die Natur und ist einer der Hauptgründe für die jetzt bekannt werdenden Horrormeldungen in katholischen Einrichtungen aus der Vergangenheit. Hoffentlich kommt auch der Papst irgendwann zu dieser Einsicht und führt die längst überfälligen Änderungen herbei. Neben der Aufhebung des Zölibats gehört auch die Zulassung von Frauen zum Priesterberuf dazu.

Helmut Jung, Hamburg

Scham

Ist die katholische Kirche denn von allen guten Geistern verlassen? Das will eine moralische, wegweisende und vorbildhafte Instanz sein, die einerseits Empfängnisverhütung und Abtreibung als Mord geißelt und uns strikt verbietet, aber andererseits zuschaut, wie sexuell gestörte Priester unseren Kindern traumatische und psychische Schäden für ihr ganzes Leben zufügen? Ich schäme mich, ein Mitglied der katholischen Kirche zu sein, und verstehe die Menschen, die deswegen aus Protest diese Kirche verlassen. Die Kirchenoberen dürfen sexuellen Straftätern unter dem Deckmantel des Pflichtzölibats keinesfalls Zuflucht und eine neue Heimat bieten. Wenn selbst der gestandene bayerische Katholik Alois Glück (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) die Überprüfung des nicht urchristlichen Pflichtzölibats fordert, dann ist etwas faul im Staate Vatikan.

Roland Klose, per E-Mail

Ohne Prinzipien

Was ist denn unter "zeitgemäß" zu verstehen? Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft - ohne Prinzipien wie Treue, Ehrlichkeit, Bescheidenheit oder auch Enthaltsamkeit. Die Folgen belasten den ganzen Sozialstaat. Es gilt doch wohl eher, den Zeitgeist der Gier, Macht und Oberflächlichkeit zu bekämpfen, als ihn als zeitgemäß zu entschuldigen. Und was das Frauenbild der katholischen Kirche angeht, zeigt es sich deutlich in der Marienverehrung.

Christiane Mielck-Retzdorff, per E-Mail

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