Hamburger Abendblatt:

1. Verteidigungsminister zu Guttenberg überlegt, die Bundeswehr zu verkleinern und die Wehrpflicht auszusetzen. Ist das realistisch?

Harald Kujat:

Bei solchen Vorgängen rechnet man immer erst mal alle Größenordnungen durch, um zu sehen, was man bei verschiedenen Personalstärken operativ überhaupt noch machen kann. Nur so kann man erkennen, wie groß die Einsparmöglichkeiten wirklich sind. Ich vermute, dass da das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist.

2. Was passiert, wenn die Bundeswehr wirklich auf 150 000 Mann schrumpft?

Dann müssten die Aufgaben der Bundeswehr deutlich reduziert werden. Dann muss der Politik klar sein, dass man nicht mehr alles das tun kann, was die nationalen Sicherheitsinteressen und die Bündnisverpflichtungen gebieten. Die Streitkräfte sind nun mal ein Instrument der Außenpolitik. Militärische Sicherheitsvorsorge bezieht sich nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf die Zukunft. Sicherheitsvorsorge bedeutet allerdings, ein Höchstmaß an Flexibilität zu bewahren.

3. Sind Einsätze wie in Afghanistan mit Tausenden Soldaten dann nicht mehr möglich?

Das hängt sehr stark von der Art des Einsatzes ab. Schon heute sind die Möglichkeiten der Bundeswehr durch die Unterteilung in Eingreif- und Stabilisierungskräfte begrenzt. Ich plädiere dafür, alle Einsatzkräfte auf einen hohen Ausbildungs- und Ausrüstungsstand zu bringen. Wenn das der Fall ist, kann man auch künftig solche Operationen wie in Afghanistan durchführen.

4. Das hört sich aber nicht so an, als ob sich Deutschland dann noch Missionen auf dem Balkan, am Horn von Afrika oder vor dem Libanon leisten könnte.

Grundsätzlich müsste man überprüfen, welche Einsätze man noch stemmen kann und in welchen Intervallen man die Soldaten vor Ort auswechseln will. Eigentlich müsste man vor solchen Gedankenspielen die Ergebnisse der Strukturkommission zur Zukunft der Bundeswehr Ende des Jahres abwarten. Aber die Termine zur Haushaltskonsolidierung erlauben das wohl nicht.

5. Wie würden Sie als ehemaliger Berufssoldat eine Abschaffung der Wehrpflicht, die in der Diskussion ist, bewerten?

Die Wehrpflicht bringt uns große Vorteile, weil sie die intelligenteren und kritischeren Leute in die Armee holt. Das Aussetzen der Wehrpflicht bedeutet, dass die Qualität auf lange Sicht abnehmen wird. Aber wenn man den Umfang der Streitkräfte deutlich reduzieren will und muss, muss man wohl auch diese Option ins Auge fassen. Dies hätte allerdings den Vorteil, dass die Zeit- und Berufssoldaten, die bislang die Wehrpflichtigen ausgebildet haben, für andere Aufgaben zur Verfügung stünden.