Der Hamburger Wirtschaftsexperte schlägt eine ungewöhnliche Strategie vor, um die Währungskrise zu meistern, eine Art Arbeitsteilung unter den Euro-Ländern

Um den durch die weltweite Finanzkrise verursachten Konjunktureinbruch wirksam zu bekämpfen, haben die meisten Industrie- und Schwellenländer 2009 gigantische Konjunkturprogramme aufgelegt, die mangels öffentlicher Sparguthaben ausschließlich durch Aufnahme neuer Kredite, also Schulden, finanziert wurden. Die Folgen sind ausufernde Defizite der Staatshaushalte und ein gewaltiges Anwachsen des Schuldenbergs. Die Länder der Euro-Zone hatten 2009 im Durchschnitt einen Schuldenstand von 79 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ein Staatsdefizit von 6,3 Prozent des BIP mit rasant steigender Tendenz. Damit sind die Maastricht-Kriterien von 60 Prozent bzw. drei Prozent weit verfehlt.

Die Politik und weite Teile der Bevölkerung haben erkannt, dass die Euro-Länder Sparanstrengungen unternehmen müssen, um den Euro stabil zu halten. Das gilt für Griechenland, Portugal und Spanien an vorderster Front, auch in den großen Ländern Italien, Frankreich und Deutschland ist eiserner Sparwille erkennbar. Dies ist lobenswert, doch was passiert, wenn alle Länder im Gleichschritt sparen?

Eine deutliche Kürzung der Staatsausgaben führt direkt zu Nachfrageausfall, der durch sog. Multiplikatoreffekte verstärkt werden kann: Kürzt der Staat Investitionen, verlieren Unternehmen Aufträge. Werden soziale Leistungen, Beamtengehälter, Renten gekürzt, verringert sich das Einkommen dieser Bürger, was den Konsum schwächen kann. Dann ist zu erwarten, dass das Wachstum gedämpft und das zarte Konjunkturpflänzchen in Europa erheblich gefährdet wird. Hinzu kommt, dass die Bürger mit der Kürzung der Staatsausgaben und höheren Steuern rechnen. Dies kann eine höhere Sparneigung und Konsumzurückhaltung zur Folge haben, die das Wachstum weiter dämpft.

Es bleibt nur der Export, der das Wachstum stützen könnte. Auch hier gibt es einen Wermutstropfen: Die Euro-Länder sind stark verzahnt. So gehen 45 Prozent des deutschen Exports in die Europäische Union. Sparen alle Euro-Länder, ist der Exportanteil gefährdet. Die Politik befindet sich also auf einem schmalen Grat zwischen notwendigem Sparen und der Gefahr, den Aufschwung abzuwürgen. Über die wohlfeile Empfehlung hinaus, die Konjunktur nicht "kaputt zu sparen", schlage ich eine Strategie vor, die Erfolg haben könnte, wenn sie von Europas Regierungen gemeinsam umgesetzt würde.

Die Staaten der Euro-Zone haben sich in den letzten Jahren glücklicherweise nicht im Gleichschritt verschuldet, sondern weisen erhebliche Unterschiede in der Höhe und im Tempo der Verschuldung auf. Ich habe mit beiden Kriterien in einer sog. Clusteranalyse herausgefunden, dass sich zwei Gruppen von Staaten der Euro-Zone mit verschiedenem Schuldenstatus deutlich voneinander abheben. Im höheren "Schuldencluster" sind Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Belgien und Irland, im niedrigeren die übrigen Länder inklusive Malta und Zypern, wobei die Letzteren wegen ihres sehr kleinen BIP außen vor bleiben sollen. Eine europäische Strategie wäre nun folgende:

Die südeuropäischen Länder inklusive Belgien und Irland beschließen, wie schon Griechenland, erhebliche Sparprogramme, um Schulden deutlich abzutragen und das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückzugewinnen. Die Nordeuropäer sparen moderat durch Subventionsabbau und bei Verteidigungsausgaben, schonen aber unbedingt die Investitionen, insbesondere Bildung und Infrastruktur, um nachhaltiges Wachstum zu stützen. So könnten die Euro-Länder durch Arbeitsteilung gemeinsam der Wirtschafts- und Währungskrise Paroli bieten.