Eine Glosse von Thomas Andre

Ja, die ältere Dame mit dem strengen Haarschnitt und dem feinen Gesicht: Sie wirkt etwas betulich, aber rührend. Sie hat eine Teekanne hinterm Verkaufstresen stehen, wir suchen nichts Bestimmtes, sie sagt: "Ich habe da einen Schmöker aus New York, 'Cash' von Richard Price." Es riecht nach Buch in diesem kleinen Laden, draußen fährt die Straßenbahn vorbei. Sie singt, wie nur Straßenbahnen singen, wenn sie über die Gleise rollen. Später sitzen wir in einer, gegenüber wischt ein junger Mann über seinen Bildschirm, mit dieser charakteristischen Handbewegung. Er hat ein iPad auf dem Schoß, wir stoßen uns an. Seit vergangener Woche gibt es das schicke Teil in Deutschland zu kaufen. Man kann damit im Internet surfen, Filme schauen, Musik hören, man kann damit lesen. Wie auf den Schiefertafel-artigen und tabloiden elektronischen Geräten, die im vergangenen Jahr für Hysterie bei den Bibliophilen sorgten.

Offen gesagt ist das iPad sehr verlockend, es spart Platz und Papier. Man möchte es selbst besitzen. Dass seine Einführung einen Paradigmenwechsel bedeutet, sollte es sich weiter (inzwischen zwei Millionen Mal) verkaufen wie bisher, ist ausgemacht. Wir verlassen die Sphäre des Buches und vergrößern das Reich des Digitalen: Bye, bye, Gutenberg-Galaxie.

Aber angesichts grassierender Apple-Begeisterung muss natürlich immer einer die Rolle des Bedenkenträgers übernehmen, und so sei auf den Aspekt der hochtechnisierten Langeweile verwiesen. Was andere nur dumpf empfinden, sei an dieser Stelle kühn und kämpferisch ausgesprochen: Das iPad killt die Fantasie! Wo man früher (ja, alles besser, damals) mehr als einen Blick riskierte und vom Titel des Buches auf seinen Leser schloss, gähnt einen jetzt nichtssagendes Design an. Keine Ahnung, was der Kerl liest. Und keine Ahnung, wie lange es die Dame und ihren Buchladen noch gibt. Sie kommt uns vor wie ein Robbenbaby: schützenswert.