Karl-Werner Hansmann, 66, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

1. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits für knapp 40 Milliarden Euro Staatsanleihen von hoch verschuldeten europäischen Ländern angekauft, um die Kurse zu stützen. Allein 25 Milliarden Euro entfallen auf griechische Papiere. Verkäufer der Papiere - und damit Profiteure des Ankaufprogramms - sollen vor allem französische Banken sein, während sich die deutschen Banken freiwillig verpflichtet hatten, die griechischen Anleihen zu behalten. Ist Deutschland von den Franzosen hereingelegt worden?

Karl-Werner Hansmann:

Ob das von Frankreich geplant war, kann ich nicht beurteilen. Im Ergebnis ist es aber so. Französische Banken haben einen großen Anteil von griechischen Staatsanleihen, die sie jetzt der EZB zu künstlich hochgehaltenen Preisen verkaufen können. Sie können sich damit des Risikos, dass Griechenland die Kredite nicht zurückzahlen kann, im Gegensatz zu den deutschen Banken elegant entledigen. Das ist nicht fair.

2. Hat die EZB mit den Ankäufen, denen sie auf politischen Druck zustimmte, ihren Status als unabhängige Notenbank verloren?

Ja, sie hat die Grundlage ihrer unabhängigen Existenz ohne Not verlassen.

3. Ist der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB wenigstens grundsätzlich sinnvoll?

Zunächst einmal war das Ankaufprogramm aufgrund des 750 Milliarden Euro großen Rettungsschirms für den Euro und der Griechenland-Hilfe von 110 Milliarden Euro gar nicht mehr nötig. Der Ankauf ist darüber hinaus gefährlich: Die EZB hält den Preis für die aufgekauften Staatsanleihen künstlich hoch, obwohl deren Wert am Markt viel geringer eingeschätzt wird. Wenn sie einmal den Ankauf einstellt, droht ein erneuter Ausverkauf dieser Wertpapiere mit dramatischem Zinsanstieg für die betreffenden Staaten.

4. Wie groß ist die Gefahr, dass Deutschland letztlich die Zeche zahlen muss, weil Griechenland seine Schulden nicht vollständig zurückzahlen kann und damit Verluste bei der Bundesbank anfallen?

Die EZB geht davon aus, dass Griechenland durch sein beschlossenes enormes Sparprogramm die Schulden im Laufe von fünf Jahren zurückzahlen kann und auf dem Kapitalmarkt wieder "normale" Zinsen zahlen muss. Dann fallen keine Verluste bei der Bundesbank an. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht.

5. Rechnen Sie mit deutlich steigenden Inflationsraten wegen der Schuldenkrise?

Zunächst nicht. Die geplanten gewaltigen Sparanstrengungen aller europäischen Länder wirken dämpfend auf die Nachfrage. Sollte die Konjunktur aber in den nächsten zwei Jahren stark anspringen und die EZB die Geldmenge nicht rigoros einschränken, rechne ich mit einem Inflationsschub.