Schauspielerinnen und Ballettintendanten machen sich ja gern das eine oder andere Jahr jünger. Die Hartgesottenen unter ihnen korrigieren dafür schon mal den Taufschein. Aus Protest gegen das unaufhaltsame Verrinnen des Lebens stemmt sich der Mensch ebenso erfindungsreich wie erfolglos gegen den Treibsand der Zeit - solange es ums eigene Alter geht.

Ereignisse aber lässt er schneller alt aussehen, als es die niedere Mathematik erlaubt. Der Knick in der Rechenoptik kommt etwa bei Festivals immer dann auf, wenn eine runde oder sonst wie zu Jubel über Langlebigkeit Anlass gebende Wiederkehr des Ereignisses ansteht. JazzBaltica feiert in diesem Jahr seine 20. Ausgabe - darf aber deswegen noch lange nicht "20 Jahre JazzBaltica" feiern. Denn die Premiere fand nicht vor 20 Jahren statt, sondern erst 1991. Das Festival wird also erst 19 - und schmückt sich trotzdem zu Recht mit der 20.

Denn, anders als bei uns Erfindern solcher Ereignisse, kennt die Uhr bei Festivals als kleinste Zähleinheit die Eins. Wer ein Jahr danach wieder am Start ist, veranstaltet schon sein zweites Festival. Logisch. Der Mensch aber muss sich nach der Geburt ein ganzes Jahr gedulden, ehe ihm auf dem Breitörtchen sein erstes Kerzlein entzündet wird. Beim Homo sapiens, diesem immerwährenden Festival der Schöpfung, zählen eben nur die vollendeten Lebensjahre. Blöde Wörterzwickmühle. Trotzdem: Vom Gebrauch solcher Neuschöpfungen wie "20. Bestehensjahr" bitten wir abzusehen.