Der Meeresbiologe Dr. Christian Bussau ist bei Greenpeace Spezialist zum Thema Öl-Havarien.

1. Von der untergegangenen Ölplattform "Deepwater Horizon" laufen täglich 160 000 Liter Rohöl in den Golf von Mexiko. Ist die riskante Ölförderung im Meer überhaupt vertretbar?

Christian Bussau:

Die Förderung von Öl und Gas in der Tiefsee ist besonders risikoreich. Ab 1000 Meter Meerestiefe wird die Technik so kompliziert, dass man sich immer an der Grenze des technisch Machbaren bewegt. Wenn Unfälle passieren, reicht die heutige Technik nicht aus, um die Folgen für die Meeresumwelt in Grenzen zu halten. Deshalb ist es fragwürdig, die Ölförderung in solchen Tiefen überhaupt zu erlauben.

2. Wie groß sind sonst im Alltagsbetrieb die ökologischen Schäden der Plattformen?

Bussau:

Die chronische, schleichende Verschmutzung während des Betriebes ist weltweit vielleicht größer einzuschätzen als das, was uns jetzt in spektakulären Bildern erreicht. In der Nordsee arbeiten mehr als 400 Plattformen; sie leiten jährlich mehr als 10 000 Tonnen Öl ins Meer. Im Umkreis von 500 Metern um die Bohrinseln ist der Meeresboden praktisch tot. Dort findet man nur noch Bakterien und Fadenwürmer, keinen einzigen Seestern oder Fisch.

3. Sind denn die Vorschriften zur Offshore-Ölförderung noch zu lasch?

Bussau:

Beim Betrieb der Plattformen werden höchstmögliche Sicherheitsstandards gesetzt, wird die bestmögliche Technik genutzt. Doch bei der Tiefsee-Ölförderung reicht dies nicht. Hier geht es nicht um Fragen der Sicherheitsstandards, sondern darum, ob es richtig ist, in technische Grenzbereiche vordringen zu wollen, wenn die Risiken für das Personal und für die Meeresumwelt so hoch sind wie hier.

4. Müsste nicht jeder Staat, in dessen Meeren Öl gefördert wird, Personal und Technik vorhalten, um im Katastrophenfall auslaufendes Öl effektiv bekämpfen zu können?

Bussau:

Ja. Jeder Staat mit Meeresküste müsste sich auf Ölverschmutzungen vorbereiten, die von Plattformen, aber auch von Schiffen ausgehen. In den europäischen Staaten und Nordamerika gibt es solche Einsatzkommandos. Ob die Vorsorge ausreicht, weiß man leider erst nach dem Unfall - bei der "Pallas"-Havarie im Oktober 1998 im Wattenmeer reichte sie nicht.

5. Gibt es Unterschiede in den Sicherheitsstandards der Plattformen zwischen denen im Golf von Mexiko und denen in der Nordsee?

Bussau:

Nein. Es sind dieselben Betreiber, die dort tätig sind. Ich habe selbst BP-Plattformen besucht und die hohen Standards gesehen. Gerade zwischen diesen beiden Meeresgebieten vor der amerikanischen und der europäischen Küste wird es keine Unterschiede geben - vor der afrikanischen Küste sieht es möglicherweise anders aus.