Der Trainer des FC Schalke 04 sieht in der Bundesliga einen international erfolgreichen Gegenentwurf zu den krisengeschüttelten Vereinen in Großbritannien und Italien

Bayern München auf dem Weg ins Champions-League-Finale, der HSV hat noch alle Chancen, das Endspiel der Europa League im heimischen Stadion zu erreichen. Es ist keine gewagte These mehr: Die Fußball-Bundesliga ist die beste Liga der Welt. In der Leistungsbreite war sie es immer, jetzt ist sie es auch in der Spitze. Erstmals nach 23 Jahren führen die deutschen Klubs die Europapokalwertung an.

Ein zentraler Grund der Trendwende ist die Finanzkrise. Sie hat den dominierenden englischen Vereinsfußball erschüttert, besonders den FC Liverpool, auch Manchester United und mit Abstrichen Roman Abramowitschs FC Chelsea. Deren hohe Schulden drücken zwar nicht direkt auf die Leistung der Spieler, schaffen jedoch eine Atmosphäre der Unsicherheit, die sich mittelfristig leistungsmindernd auswirkt. Spielsportarten leben von positiver Grundstimmung, vom Spaß, vom Optimismus. Sorgen sind schlechte Passgeber.

Auch in Italien, dem Land des Weltmeisters, rollt der Ball nicht mehr rund. Zu viele Skandale haben die Glaubwürdigkeit erschüttert. Der Zuschauerschwund ist dramatisch.

Den Gegenentwurf bildet die Bundesliga. Sie beginnt von ihrer überzeugenden Infrastruktur zu profitieren, von fantastischen WM-Stadien, dem in Europa höchsten Zuschauerzuspruch, der gestiegenen Fußballbegeisterung, der finanziellen Solidität der Vereine und der Verlässlichkeit der Gehaltszahlungen. Das lockt Superstars wie Arjen Robben oder Ruud van Nistelrooy nach Deutschland. Andere werden folgen, auch wenn hier wohl nie gigantische Gagen wie in England, Spanien oder Italien gezahlt werden können. Ich bin überzeugt, dass unsere Strukturen die gesündesten sind.

Ein weiterer Faktor ist die verbesserte Nachwuchsarbeit. Sie zeitigt nicht nur Titel mit den Auswahlmannschaften U 17, U 19 und U 21, die alle Europameister wurden, auch die Klubs vertrauen mehr denn je Talenten. Das Angebot an interessanten jungen, gut ausgebildeten Spielern ist in den letzten fünf Jahren merklich gestiegen, zudem scheint mir die Bereitschaft gewachsen, dem Nachwuchs eine Chance zu geben. Das geschah vor nicht langer Zeit meist aus wirtschaftlicher Not, heute öfter aus Überzeugung. Die mittelmäßigen ausländischen Profis, die wir viel zu lange holten, sollten ausgedient haben. Wir können unserem Nachwuchs vertrauen.

Zum Aufschwung der Bundesliga haben die Schiedsrichter beigetragen. Früher habe ich sie wegen ihrer kleinlichen Regelauslegung häufig kritisiert, inzwischen pfeifen sie die Bundesliga nach internationalen Standards. Das betrifft vor allem Zweikämpfe. Früher erlebten deutsche Vereine regelmäßig einen Kulturschock, wenn sie im Europapokal antraten. Was international als gesunde Härte galt, wurde bei uns oft als Foul geahndet. Ein Unterschied bleibt: International gibt es mehr Fehlentscheidungen als in Deutschland. Unsere Schiedsrichter irren sich selten.

In der Bundesliga ist auch die Arbeitsmoral der Spieler seriöser geworden. Das mag gesellschaftlich bedingt sein. Die Zeit, in der Spaß und Spiel das Klima prägten, scheint mir Vergangenheit zu sein. Die Leistungsbereitschaft wächst wieder wie die Erkenntnis, dass sich Aufwand und Ertrag bedingen und am Ende der belohnt wird, der mehr für den Erfolg tut. Auch der Lebenswandel der Spieler ist professioneller geworden. Dennoch: Im Bereich der Einstellung der Fußballprofis zu ihrem Beruf sehe ich das größte Steigerungspotenzial für die Bundesliga. Vielen Spielern ist nicht die Dimension ihrer Verantwortung bewusst, die sie gegenüber dem Verein haben, für die Menschen, die im Klub und dessen Umfeld arbeiten. Dort stehen Existenzen auf dem Spiel. Die Vereine machen es ihnen allerdings zu leicht. Konsequenzen hat im Regelfall der Trainer zu befürchten. Spielt ein Spieler gut, war es der Spieler, spielt er schlecht, hat der Trainer schuld. Dieses Denken aufzubrechen wird uns schwerfallen. Schaffen wir es, wird die Bundesliga die führende Liga der Welt bleiben. Das liegt nicht allein im Interesse der Klubs, sondern aller Spieler. Natürlich erwarten Sie von mir am Schluss noch einen Tipp, wer deutscher Meister wird. Als Trainer des FC Schalke würde ich mich freuen, wenn die Bayern alle Kraft in die Champions League legen und diese gewinnen. Das wäre gut für den deutschen Fußball wie ein Triumph des HSV in der Europa League. Beiden Klubs traue ich zu, dass sie ihre Ziele erreichen.

Bleibt nur zu hoffen, dass den HSV-Profis nach dem 1:5 in Hoffenheim und der Beurlaubung ihres Trainers am Donnerstag in Fulham die geistig-moralische Wende gelingt.