Es geht um Hygiene, Betreuung und Verpflegung. Die Betroffenen kritisieren das Prüfsystem. Urteile der Bewohner fallen meist besser aus, werden aber nicht berücksichtigt.

Sie kommen unangemeldet und mit einem umfangreichen Fragenkatalog. Seit Juli vergangenen Jahres sind in Hamburg Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK-Nord) unterwegs, um die 150 stationären Pflegeheime zu überprüfen. Sie sichten Dokumentationen, bewerten Hygiene und medizinische Versorgung, untersuchen und befragen die Bewohner. Bislang wurden 57 Pflegeeinrichtungen überprüft: nur 13 Heime lagen gleich oder besser als der Bundesdurchschnitt (2,1), zwei Einrichtungen erhielten sogar die Note 4, insgesamt liegt der Hamburger Durchschnitt bei 2,7. Die detaillierten Bewertungen finden Pflegebedürftige und ihre Angehörigen im Internet unter www.pflegelotse.de oder www.abendblatt.de . Der Pflege-TÜV, der bundesweit gesetzlich festgelegt ist und für "mehr Transparenz und Qualität in der Pflege" sorgen soll, ist nicht unumstritten. Zahlreiche Heime wehren sich gegen die Veröffentlichung der Noten, die in den vier Bereichen "Pflege und medizinische Versorgung", "Umgang mit Demenzkranken", "Soziale Betreuung" und "Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene" vergeben werden. So vertritt der Hamburger Anwalt Ronald Richter Einrichtungen aus mehreren Bundesländern, darunter 20 aus Hamburg. Für einige von ihnen konnte er bereits einen Aufschub erwirken, um Unterlagen nachzureichen. Insgesamt, so die Einschätzung des Experten, sei das Bewertungssystem ein "erster, wichtiger Schritt". "Allerdings höchst provisorisch. Es wäre besser gewesen, wenn man sich Zeit zur Erprobung des Verfahrens genommen hätte."

Generell monieren die Heime am MDK-Prüfverfahren, dass es überwiegend die Qualität der Pflegedokumentation im Visier habe, nicht die Pflege selber - die Bewertungen entsprächen somit häufig nicht der Realität. "Lebensqualität kann man nicht so prüfen wie Energieeffizienzklassen von Kühlschränken", sagt auch Anwalt Richter. "Das, was eigentlich vom Gesetzeber gewollt ist, ist gut. Es sollte aber aus der Verbrauchersicht gemessen werden, also an der Beurteilung der Pflegeheim-Bewohner." Deren Benotung werde zwar angegeben, fließe aber nicht in die Gesamtbewertung mit ein. Andererseits würden Sachverhalte bewertet, die sich bei manchen Einrichtungen einfach nicht in der Dokumentation abbilden ließen. So vertritt Richter ein Pflegeheim, in dem kein portioniertes Essen ausgegeben wird, sondern Schüsseln auf dem Tisch stehen. "Natürlich wird darauf geachtet, dass sich keiner alles nimmt und jeder satt wird", sagt er. Die Transparenz-Frage T 63 "Orientieren sich die Portionsgrößen an den individuellen Wünschen der Bewohner?" konnte so aber nicht beantwortet werden. Resultat: 0 Punkte und die Note "mangelhaft".

Auf die Klagen etlicher Pflegeheime hin haben mittlerweile mehrere Landessozialgerichte Leitentscheidungen getroffen. Allerdings haben sie unterschiedliche Auffassungen: Während das Sozialgericht Hamburg der Meinung ist, gegen die Veröffentlichung der Pflegenoten sei rechtlich nichts einzuwenden, sprachen sich Gerichte in Berlin-Brandenburg, München und Münster dagegen aus.

"Wir sind verpflichtet, die Ergebnisse zu veröffentlichen", sagt Günter Ploß vom Hamburger Landesverband der Ersatzkassen (vdek). Auch die Einrichtungen müssten die Ergebnisse des Pflege-TÜVs gut sichtbar aushängen. Die Kritik an den Pflegenoten ist ihm unverständlich. "Schließlich waren Inhalt und Struktur des Fragenkatalogs mit allen Beteiligten, auch mit den Heimen, auf Bundesebene abgesprochen", sagt Ploß. Allerdings werde demnächst damit begonnen, das Prüfverfahren zu evaluieren. Sollte sich zeigen, dass Veränderungen notwendig seien, würden diese bei der zweiten Runde der MDK-Überprüfungen angewendet werden - denn der Pflege-TÜV soll ab 2011 in jedem Heim einmal pro Jahr wiederholt werden. Einen "Weiterentwicklungsbedarf beim Prüfverfahren" sieht auch die Sozialbehörde. "Das liegt aber nicht in unserer Hand", sagt Sprecherin Julia Seifert. Sie verwies allerdings auf das neu beschlossene Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz, mit dem Hamburg eine zusätzliche Qualitätsprüfung durch die Heimaufsicht anstrebt. "Dafür", so Seifert, "entwickeln wir gerade Kriterien."

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