Vor einem Jahr kam nach dem Ostergottesdienst ein junges Paar auf mich zu. "Uns geht es gut", sagte er. Sie nickte: "Wir haben beide eine guten Job und wirklich genug Geld. Wir würden gerne eine Familie unterstützen, die nur wenig hat ..."

Ein paar Monate später hatten drei Kinder einer alleinerziehenden Mutter ein Fahrrad und Turnschuhe für den Sportunterricht. Viele haben mitgedacht und geholfen und so gibt es auch wieder eine Waschmaschine in der Wohnung und manches andere, was für die meisten von uns selbstverständlich ist. Manchmal ist am Monatsende kein Geld mehr da fürs Abendessen. Aber das Lachen ist wieder da und die Zuversicht, dass das Leben irgendwie weitergeht, und dass es Menschen gibt, die das interessiert. "Das ist ein Wunder", sagt die Mutter.

"Sei klug und halte dich an Wunder", sagt die Dichterin Mascha Kaleko. Manchmal geschehen welche. Das ist wie Auferstehung mitten im Leben. Die Hoffnung kehrt zurück.

Genau besehen allerdings geschehen die meisten Wunder nicht aus heiterem Himmel, sondern haben einen sehr menschlichen Vorlauf. Alles beginnt mit dem Mitgefühl.

"Es jammerte ihn", heißt es oft in den biblischen Heilungs-Geschichten, wenn Jesus die Menschen ansah und sich anrühren ließ von ihrer Not.

"Wie kriegt man die Empathie wieder in die Köpfe?", beschreibt der Regisseur Stephan Kimmig eine Grundfrage seiner Arbeit am Theater. "Wie könnte der Bohrer aussehen, der den Zugang zu unseren Herzen und Hirnen öffnet, sodass wir uns wieder um etwas anderes kümmern können als um uns selbst. Wie können wir dieses Effektivitätsdenken, das McKinsey und Konsorten in uns reingepresst haben, wieder verlernen?"

Kurz vor Ostern stand jetzt eines der Kinder vor meiner Tür. Das gespendete Fahrrad war kaputt und kein Geld mehr da, mit dem Bus zur Schule zu fahren. Gemeinsam sind wir zum Fahrradladen gegangen. Meine Bitte um einen Augenblick fachkundiger Hilfe wurde klar beschieden: "Wir machen nichts umsonst. Das können wir uns nicht leisten." Effektive Hartherzigkeit führt vielleicht zu einer guten Bilanz. Aber um die Menschlichkeit und das Leben auf dieser Erde zu bewahren, braucht es andere Kräfte.

@ pastorin@epiphaniengemeinde.de