Bekanntes Problem

"Der Abweichler", Hamburger Abendblatt, 19. März

Die Probleme meines SPD-Genossen Marco Bülow hatten schon die alten Griechen. Es wird immer so sein: Einige wenige Parlamentarier wollen einer Idee zum Erfolg verhelfen und bitten andere Parlamentarier um Unterstützung. Damit hat der Lauf der Fraktionsbildung begonnen. Wenn nun einer dieser Unterstützer seine Idee bei einer späteren Abstimmung ebenfalls durchsetzen möchte, bittet er jene, denen er damals geholfen hat, jetzt ihm mit ihrer Stimme zu helfen. Geschieht das nicht, ist die Fraktion zerbrochen oder der eine oder andere "Abweichler" wird "verbellt". Man wird das nicht ändern können. Wer meint, das nicht durchhalten zu können, sollte sich nicht in ein Parlament wählen lassen.

Bernd Wenzel, Buchholz

Kommunale Ebene

Man muss nicht im Bundestag sitzen, um dieses zu erleben. Es fängt schon ganz unten an, auf kommunaler Ebene. Mit den Wölfen heulen und alles ist gut; vertritt man seine eigene Meinung, wird man geschnitten und gemobbt. Ich kann bestätigen, was Herr Bülow schreibt. Trotzdem lasse ich mich nicht verbiegen.

Margret Jennrich, per E-Mail

Da muss er durch

Als ich las, wie schlecht sich der Abgeordnete Bülow fühlt, konnte ich kein rechtes Bedauern empfinden - da muss er durch. Warum halten die Fraktionen im Bundestag Probeabstimmungen ab vor wichtigen Entscheidungen? Richtig - weil man eventuelle "Uneinsichtige" noch bekehren muss. Nach der reinen Lehre ist das sicherlich verwerflich, aber so funktioniert es nun mal. Wenn der Abgeordnete Bülow alt werden sollte im Bundestag, ist das nicht mehr so wichtig. Die Fraktionskollegen haben sich daran gewöhnt, und der Abgeordnete wird dann entweder zum Querdenker, zum Widersacher ... oder zum Querulanten.

Claus Glashagen, Hamburg

Ein erster Schritt

"Nur Abnicker? Wir doch nicht", Hamburger Abendblatt, 20. März

Es wird nicht nur Druck von Lobbyisten ausgeübt. Der Druck aus der eigenen Partei ist oft noch größer. Selbstherrliche Fraktionsvorsitzende, althergebrachte Strukturen und Informationsverweigerung lassen neue Abgeordnete zweifeln und verzweifeln. Ich bin Mitglied der Ratsversammlung in Quickborn und habe meine Konsequenzen gezogen. Ein weiteres Mitglied meiner Fraktion (FDP), ich und noch ein Mitglied der SPD sind aus unseren Parteien ausgetreten und gründen eine neue Wählervereinigung. Sicherlich im kommunalen Bereich sehr viel einfacher, aber es ist ein erster Schritt weg von den etablierten Parteien.

Bernd Gronewaldt, Quickborn

Klischees bestätigt

Das Ärgerliche an Marco Bülows Buch "Wir Abnicker" ist weniger die selbstquälerische Attitüde eines frustrierten Parlamentariers als vielmehr die Tatsache, dass er weit verbreitete Klischees bestätigt und damit die Politikverdrossenheit steigert. Sklavische Unterordnung unter die "Fraktionsdisziplin", Willfährigkeit gegenüber Lobbyisten - das alles trifft auf die Mehrheit der Abgeordneten nicht zu. In fast 18 Jahren Bundestagszugehörigkeit habe ich immer wieder erbitterte Auseinandersetzungen in den Arbeitsgruppen und Fraktionssitzungen und hartnäckiges Ringen um konsensfähige Lösungen für Anträge und Gesetzestexte erlebt - selten bloßen "Abnicken". Der Einfluss der Lobbyisten wird oft überschätzt. Natürlich gibt es zahlreiche Versuche von Interessenverbänden, auf Gesetzgebung und einzelne Mandatsträger einzuwirken - aber Politiker mit Ecken und Kanten durchschauen die Manöver und setzen die eigenen Überzeugungen durch.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Hamburg

Im Glashaus

Wie kann ein Johannes Kahrs nur so abfällig über Marco Bülow reden, war er doch selber ein Oberabnicker und festigte damit seinen Sprung nach Berlin. Kahrs hat im Bundestagswahlkampf 2005 halb Hamburg mit dem Slogan "Keine Mehrwertsteuererhöhung" plakatiert und wenige Monate später mit SPD-Regierungsverantwortung drei Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung abgenickt.

Otto Kroeger, Hamburg

Diese Zuschriften geben die Meinung der Einsender wieder. Wir müssen uns sinnwahrende Kürzungen vorbehalten. Weitere Briefe auf www.abendblatt.de