Die junge Frau lebte auf St. Pauli. Polizei sucht bundesweit nach vorbestraftem Mann.

Er ist auf der Flucht, seitdem er eine 23-Jährige in einer Nervenklinik in Großhansdorf ermordet haben soll. Er ist gefährlich und unberechenbar. "Treten Sie auf keinen Fall selbst an die Person heran", warnt die Polizei. Gesucht wird Martin Heuer, 26 Jahre alt, 1,79 Meter groß, 100 Kilogramm schwer, vorbestraft wegen schweren Raubes und Körperverletzung.

Der Bewohner des "Hauses Rümeland" an der gleichnamigen Straße - einem "Wohnhaus für Menschen mit seelischer Behinderung", wie es der private Träger selbst mitteilt - soll die Nachtschwester aus Hamburg in der Nacht zum Donnerstag mit Messerstichen in den Hals getötet haben.

Die Polizei hatte die junge Frau gestern um kurz nach 8.30 Uhr tot im Dienstzimmer gefunden, in dem sie offenbar auch übernachten sollte. Die Beamten wurden alarmiert, nachdem eine Mitarbeiterin des Hauses bemerkt hatte, dass das Zimmer abgeschlossen war. Dies ist in der vollstationären Einrichtung unüblich. Deshalb brachen die Beamten die Tür auf und entdeckten die bereits erkaltete und erstarrte Leiche.

Wann und wie die Tat geschah, ist noch nicht klar. "Wir wissen, dass es in der Nacht passierte", sagt Polizeisprecher Jan-Hendrik Wulff, "ob am Mittwoch oder Donnerstag, wissen wir nicht." Die Mordkommission ermittelt. Die Tote wurde von Rechtsmedizinern untersucht. Ein erstes Ergebnis will die Staatsanwaltschaft Lübeck morgen bekannt geben.

Schon kurz nach dem Leichenfund geriet Martin Heuer in Verdacht, dessen Flucht schnell auffiel. Mit ihm war auch ein blauer Fiat-Doblo-Kastenwagen (Kennzeichen OD-SO 60) verschwunden, der zum Haus Rümeland gehört. Die Polizei glaubt, dass Heuer den Fiat als Fluchtauto nutzt.

Das Opfer, eine junge Frau mit dunklen Haaren, die im Hamburger Stadtteil St. Pauli gemeldet ist und deren Familie aus Süddeutschland stammt, hatte sich nach Angaben der Heimbewohner über ihren neuen Job als Nachtschwester gefreut. Obwohl sie erst in Kürze ihren Arbeitsvertrag unterschreiben sollte, war sie nach Abendblatt-Informationen in der Tatnacht die einzige Betreuerin für die zwölf Heimbewohner.

Das Rümeland in Großhansdorf: Gutbürgerliche Einfamilienhäuser säumen die schmale Straße. Unscheinbar, ein wenig zurückgesetzt, liegt der schmucklose 50er-Jahre-Bau mit der Nummer 4. Nachbarn und Bewohner sind schockiert. Niemand hätte geglaubt, dass sich hinter den grauen Mauern eine derartige Tragödie abspielen würde.

Im "Haus Rümeland" nannte man die 23-Jährige "Wasti". Frank D., der seit eineinhalb Jahren in der Einrichtung lebt, erklärte dazu: "Wasti, das ist ein Name aus der Bibel. Alttestamentarisch, hat sie uns gesagt." Der 45-Jährige habe zuletzt am Mittwochmorgen mit ihr gesprochen. "Sie arbeitete erst seit kurzer Zeit hier bei uns. Jeden Tag kam sie mit der Bahn aus St. Pauli her. Dort hat sie auch gelebt." Sie sei noch in der Probezeit gewesen. "Zum 1. April sollte sie richtig anfangen."

Über den Tatverdächtigen Martin Heuer ist nicht viel bekannt. Er ist wegen schweren Raubes vorbestraft, bestätigte Jan-HendrikWulff von der Bezirkskriminalinspektion Lübeck. Und wegen Körperverletzung, erfuhr das Abendblatt. Zuletzt war er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Möglicherweise war es Teil seiner Bewährungsauflagen, in das Wohnheim für psychisch Kranke zu ziehen.

Nach Heuer - zuletzt mit schwarzer Jeans und weißem T-Shirt bekleidet - und dem sieben Jahre alten, blauen Fiat, der auf der verdunkelten Heckscheibe einen Aufkleber mit dem Schriftzug "Primates help Primates" trägt, wird jetzt bundesweit gefahndet. Die Polizei hält es für möglich, dass Heuer bewaffnet ist. Die Tatwaffe aus der Nacht wurde noch nicht gefunden. Wahrscheinlich hat er sie noch bei sich. Seine ehemaligen Mitbewohner beschreiben den großen, kräftigen Mann eher als scheu. "Der Heuer ist so ein Typ, der keinen Kontakt haben will."

Die Anwohner sind fassungslos. Eine Nachbarin sagt: "Ich bin völlig geschockt, ich kann noch gar nicht begreifen, was passiert ist." In dem privat geleiteten Wohnheim sei es sehr menschlich zugegangen. "Die Besitzerin führt das Heim liebevoll, unternimmt mit den Bewohnern auch mal Ausflüge. Einmal haben sie einen Urlaub gemacht", so die Nachbarin. Die Leiterin selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.